Eine Warnung vorab: Wer anfängt, sich mit Honigbienen zu beschäftigen, kann schnell den Stachel spüren, mehr wissen zu wollen über die summenden Wesen, deren Leben in Gemeinschaft seit 125 Millionen Jahren so perfekt organisiert ist und die uns an ihrem Besten teilhaben lassen – dem Honig.
Wenn Holger Ackermann über Honig spricht, erinnert das an Winzer, die Anbaugebiet, Wachstumsbedingungen und Geschmacksvielfalt mit viel Respekt vor dem Produkt und Poesie beschreiben. „Jede Jahreszeit hat ihren Honig und die botanische Herkunft bestimmt Geschmack, Geruch, Farbe und natürlich auch die Wirkstoffe. Oder einfacher gesagt: Lindenhonig aus Groß Schauen schmeckt anders als Linde aus Storkow.“ Er muss es wissen, schließlich leben die meisten seiner Völker in Groß Schauen, diesem idyllischen Ort mit gleich mehreren Seen ringsum, Erlenbuchenwäldern und kurzen Wegen nach Philadelphia und Boston. Doch die Idylle trügt, auch bei Imker Holger Ackermann überlebten viele Bienenvölker den letzten Winter nicht. Mehr als 40 Prozent waren es im Land Brandenburg. „So ein großes Sterben gab es seit mindestens zehn Jahren in Brandenburg nicht mehr”, weiß der Sprecher des Imkerverbandes. „Da spielen gleich mehrere Faktoren zusammen, hauptsächlich die Varroamilbe, aber auch Bakterien, verschiedene Pestizide, Blütenmangel, die Ausbreitung von Mäusen und die Klimaerwärmung“, erklärt der 54-Jährige, der gern bekennt, dass er „bienisch denkt“, also bunte Wiesen und Gärten mit üppigen und vielfältigen Angeboten für die summenden Fortpflanzungshelfer liebt. Bienisch denken immer mehr Brandenburger und Berliner, denn das Interesse an der Imkerei steigt seit einigen Jahren. „Darunter sind erfreulich viele junge Frauen, die gut arbeiten“, lobt Holger Ackermann, der selbst vor zwölf Jahren durch die Wiederbegegnung mit dem aus der Kindheit bekannten Geruch von Honigwaben zur Imkerei fand. Seitdem hat der Imker (fast) alles über Bienen gelesen – seine Frau ist schließlich Bibliothekarin –, Kurse im Bieneninstitut in Hohen Neuendorf besucht und viel Zeit in das arbeitsintensive Hobby investiert. Über 2.000 Imker gibt es im Land Brandenburg, rund 100 sind im Landesverband organisiert, in der Hauptstadt sind es rund 1.500 Imker, die durchschnittlich fünf Völker in ihrer Obhut haben.
Rekordverdächtige 120 Völker hat Dr. Marc-Wilhelm Kohfink. Sie stehen zwischen der Spandauer Altstadt und den Gropiuspassagen, im Tiergarten, im Friedrichshain und ganz exklusiv auf dem Dach des Westin Grand Hotels in der Friedrichstraße. Das Fünf-Sterne-Haus gehörte zu den ersten Hotels in der Hauptstadt, die Bienenvölkern eine gastliche Herberge boten und die Gäste mit eigenem Honig verwöhnten. Und das in Bio-Qualität, denn etwas anderes kommt bei Marc-Wilhelm Kohfink nicht in die Gläser. Die Imkerei hat in der Familie Kohfink eine über 120-jährige Tradition, der promovierte Sozialwissenschaftler ist die nunmehr vierte Generation. Er arbeitete als Chefredakteur einer überregionalen Wirtschaftszeitung, ehe er sich entschloss, das Hobby zu seinem Beruf zu machen. „Erwerbsimker“ ist der Fachbegriff für all die, die vom Fleiß der Bienen und von den Risiken der Natur leben, um Echten Deutschen Honig – Markenzeichen seit 1925 – zu erzeugen.
Bio-Honig in der Berliner City? Und all die Abgase? Der Imker winkt ab. „Das wurde mehrfach wissenschaftlich untersucht. Die Rückstände liegen bei weitem unter den Normen von Trinkwasser“, erklärt er. Bedenklicher findet er die „wilden“ Imker, die zwar meist ambitioniert, aber ohne das nötige Fachwissen Bienenvölker halten. „Ein Kurs bei einem erfahrenen Imker ist der effektivste Weg, das Wissen über das Leben der Bienen und die Honiggewinnung zu lernen“, rät der Fachmann, der berichtet, dass die Großstadtbienen den letzten Winter etwas besser überstanden als ihre Artgenossen in Brandenburg. Vermutlich gibt es in der Großstadt manchen der Risikofaktoren nicht.
Es gibt viele Geschichten und Mythen rund um den süßen Nektar. Bei den alten Ägyptern war Honig nicht nur eine Grabzugabe für die Pharaonen, sondern auch ein Zahlungsmittel: Für einen Topf Honig bekam der Bauer des Altertums ein Rind oder einen Esel. Hippokrates verordnete Honig nicht nur bei Fieber, Verletzungen und Geschwüren, sondern auch bei Impotenz. Die Heilpraktikerin Dr. Barbara Groß empfiehlt ihren Patienten morgens ein Glas lauwarmes Wasser mit Honig und Zitrone zu trinken. „Das hilft neben anderen positiven Effekten auch beim Abnehmen. Beim Umgang mit Honig ist stets darauf zu achten, ihn nicht über 40 Grad zu erhitzen, damit seine verschiedenen Enzyme nicht zerstört werden“, so die Heilpraktikerin. In ihren Praxen in Potsdam und Wildenbruch praktiziert sie die uralten ayurvedischen Heilmethoden, die Honig bei vielen Beschwerden einsetzen, schließlich ist er wundheilend und entzündungshemmend. Apitherapeuten haben sich auf die Anwendung von Propolis, Bienengift, Honig und Bienenwachs spezialisiert. Ein Forschungs-Schwerpunkt ist dabei die Bekämpfung von multiresistenten Bakterienstämmen. Gewöhnungsbedürftig ist sicherlich die Apipunktur, bei der der Stachelapparat der Biene als Akupunkturnadel benutzt wird. Ganz und gar schmerzfrei ist Honig in der Kosmetik, der die Füße zart, die Haare glänzend, die Lippen seidig und den Teint glatt macht. In Badezusätzen, Cremes und Shampoos wird Honig zum Beauty-Nektar. Danke, Bienen!
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