Auf ein Wort mit Prof. Dr.-Ing. Dr. Sabine Kunst, Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin (HU)
Sabine Kunst studierte Wasserbauingenieurwesen und Politologie. Die Diplom-Ingenieurin für Umweltbiotechnologie, Bauingenieur- und Vermessungswesen promovierte zusätzlich in Politikwissenschaft. Zahlreiche Forschungs- und Arbeitsaufenthalte führten sie ins Ausland. 1984 forschte sie über Biogasanlagen in chinesischen Dörfern. In Südafrika beschäftigte sie sich mit Ressourcenrecycling für stark verschmutztes Trinkwasser. Als angewandte Umweltingenieurin war sie in Bolivien und Peru tätig und für spezialisierte Fragen von Industrieverschmutzung in Brasilien. 1990 habilitierte Sabine Kunst an der Universität Hannover. Sie war Präsidentin der Universität Potsdam und leitete als erste Frau den DAAD. Bevor sie im Mai 2016 Präsidentin der Humboldt-Universität wurde, war sie fünf Jahre lang für die SPD Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Brandenburg. Wir trafen die 61-Jährige in ihrem Büro im Hauptgebäude Unter den Linden.
Hätten Sie sich in Ihrer Jugend an der Westküste Schleswig-Holsteins ausmalen können, Präsidentin einer renommierten Universität zu werden? An so etwas hab ich nicht im Traum gedacht. Meine Kindheit mit sechs Geschwistern war stark von der Natur geprägt. Allein die Umgebung zu erobern, das hatte immer mit der Natur zu tun, vor allem mit dem Wasser. Daraus folgte die Idee, Meeresbiologin zu werden.
Was ja fast geklappt hat. Ja, mit einigen Umwegen und durch meinen Pragmatismus kam ich zum Studium der Wasserwirtschaft. Ich war im Wasserbau mehrere Jahre tätig, da ging es z.B. um die Planungssysteme von Gewässern.
Sie lernten den Wissenschaftsbetrieb von der Pike auf kennen und wurden gleichzeitig Mutter von drei Kindern. Wie konnten Sie Familie und akademische Laufbahn vereinbaren? Leicht ist es als berufstätige Mutter nicht. Ich halte es für eine Mär, dass man frisch gestylt und leistungsfähig im Beruf und gleichzeitig Mutter kleiner Kinder sein kann. Das geht nur in einer belastbaren Partnerschaft und als Netzwerkerin mit einem guten Freundeskreis. Die Positionen, die ich im letzten Jahrzehnt innehatte, hätte ich mit kleinen Kindern nicht schaffen können.
Bereuen Sie einen Verzicht? Nein. Ich wäre gern länger in Südafrika geblieben, als ich dort an der Cape Town University arbeitete. Das ging nicht aufgrund des Alters der Kinder. Der Vorteil aber ist, dass sich vieles im professionellen Bereich anders sortiert, wenn sie zu Hause die Erdung einer Familie haben.
Haben Ihre Kinder beruflich Ihre Richtung eingeschlagen? Nein, sie sind Schiffbauer, Sozialpädagoge und Psychologin geworden.
Da taucht ja das Wasser wieder auf, und Psychologie praktizieren Sie jeden Tag. (lacht) Ja, und Sozialarbeit mache ich auch.
Was hat Sie an Ihrer neuen Wirkungsstätte besonders gereizt? Die „Mutter der Universitäten“ ist ganz eng mit Traditionen und Geschichte verbunden. Das macht sie besonders attraktiv. Durch die Mitte Berlins ziehen sich auch die Lebensadern der Wissenschaft von Dahlem bis Adlershof. Die HU ist eine faszinierende Stätte und ein Schmelztiegel, in dem das Wissen der Zukunft seine Geburt erfährt.
Wie ist die erste Phase als neue Uni-Präsidentin? Einerseits ist es ein Nachhause kommen. Andererseits sind es ganz neue Themen und Disziplinen, die die HU auszeichnen. Berlin ist durch die Dichte der universitären Landschaft ein Ort, der die Chance hat, seine herausgehobene Situation und das besondere Angebot so zu transportieren, dass er auch im deutschen Vergleich gelistet wird, was entsprechende Ressourcen angeht.
Kooperiert wird sowohl HU-intern als auch -extern? Ja, es gibt viele Gebiete, die sich neuformieren, Kooperationen über Disziplinen hinweg und integrierte Forschungseinheiten wie z. B. bei der Materialentwicklung Physiker, Mathematiker und spezielle Kolloid- und Grenzflächenforscher. Ein Aufbruch von Grenzen in diesem Tanker Universität ist spürbar.
An der HU studieren rund 34.000 Leute (ohne Charité). Als Kapitänin haben Sie auch ein Gespür dafür, was im Maschinenraum Ihres Tankers passiert? Ohne zu wissen, was im Maschinenraum passiert, brauchen Sie nicht anzufangen. Ich besuche gerade alle Fakultäten und schaue, wie sich die Strukturen der letzten Jahre dort auswirken, wo die tägliche Arbeit gemacht wird und wo es eventuell klemmt.
Was sind Ihre Wünsche und Ihre Vision für Ihre Alma Mater, was erhoffen Sie sich mittelfristig für die HU? Erfolg in der kommenden Exzellenzinitiative, die Balance zwischen besonders forschungsaktiven Bereichen einerseits und einer anständigen Versorgung für das Studium andererseits, eine noch bessere Erstansprache für die Erstsemester sowie eine gute Teamaufstellung, um Strukturen zu entwickeln, die die HU durch die nächsten Jahre tragen. Gleichzeitig soll sie auch für diejenigen, die hier vor Jahrzehnten studierten, eine Uni sein, die wiedererkennbar bleibt.
Gibt es etwas aus Ihren Auslandserfahrungen, das Sie heute noch prägt? Der Zugang zu anderen Menschen ist die Quelle für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Man muss sich über kulturelle Differenzen hinweg seinem Gegenüber zuwenden, um gemeinsam voranzukommen. Sich selbst als Fremder zu erfahren, führt zu Demut. Man bemerkt, dass wir alle eine Gemeinschaft von Fremden sind.
Wann waren Sie das letzte Mal in der Mensa, und was gab es da gerade? Wenn ich bisher überhaupt in der Uni etwas gegessen habe, dann in der Mensa: Salatbar rauf und runter und zum Nachtisch Mohnkuchen.
Sie wohnen seit zehn Jahren in Werder. Haben Sie Ausflugstipps ins Brandenburgische? In Petzow mit der Schinkelkirche und dem Schloss gibt es wunderschöne Spaziergänge und – Wie sollte es anders sein? – rechts und links Wasser. Der Plessower See mit seinen Badestellen und das Freilufttheater in Kyritz an der Knatter mit einem der besten Amateurensembles, den Kyritzer Knattermimen.