Vorstell Bar – Neue Freunde in der „Freundschaft“

Johannes Schellhorn (l.) und Willi Schlögl (r.) - Fotos: www.peterrigaud.com

Es ist wie daheim anzukommen. Ob nach einem Tag im Büro, nach der Oper oder einem Einkaufsbummel durch die Friedrichstraße – man spaziert hinein in das Souterrain im Häuserblock vom Kulturkaufhaus Dussmann in der Mittelstraße 1 und kann sich gleich auf das Sofa gegenüber der Eingangstür fallen lassen.

Die Musik spielt in dieser Weinbar jedoch vor allem an dem großen und sehr kommunikativ angelegten Tresen, über dem ein riesiger roter Kugelschreiber schwebt. Zeit für einen Espresso mit dem Freundesgespann Willi Schlögl, der aus der Steiermark stammt, und Johannes Schellhorn aus Salzburg.

Die beliebtesten Weine?

Schwer zu sagen bei 500 bis 600 Weinen von rund 300 Produzenten aus Österreich, Deutschland, Frankreich, Südafrika und Italien. Konni & Evi, ein 2017er Silvaner aus dem Saale-Unstrut-Weinanbaugebiet, und ein Chardonnay aus der Domaine Labet gehören auf jeden Fall dazu. Der zweitgünstigste Wein auf der Karte wird am häufigsten bestellt. Aktuell ist es ein 18er Donauschotter, ein Grüner Veltliner von Clemens Strobl.

Das günstigste und das teuerste Getränk?

Alkoholfreies wie Holunderschorle gibt es für 3 Euro, die offenen Weine starten bei 6 Euro für 0,1 Liter. Bei den Flaschen beginnt es mit 30 Euro Riesling Nahesteiner vom Schlossgut Diel. Eine Flasche 2005er Barolo Riserva aus der Lage Monfortino von Giacomo Conterno aus Monforte D’Alba kostet 990 Euro, und eine Magnumflasche „Jung Frauen Milf“ von den Brand Bros bekommt man für 3.600 Euro.

Bier?

Original Zwickelbier aus der Obertrumer Privatbrauerei Josef Sigl, Grünhopfenpils aus dem oberbayerischen Schönram und Pyraser Hopfenpflückerpils. Pale Ale gibt es von BRLO im Gleisdreieckpark und ein „Backbone Splitter“ von Hanscraft. Sauerbier kommt aus der belgischen Brasserie Cantillon und die Berliner Weiße aus der Schneeeule Brauerei in Wedding.

Was gibt es zu essen?

Raffiniertes Kneipenessen. Abendbrot. Küchenchef Marc Bierstedt aus Marzahn kredenzt Leckereien zu Wein und Bier. Seine Palette reicht von Brot mit Kernölbutter über Beinschinken von Thum aus Wien, eine Käseauswahl von Mâitre Philippe und Sardinen aus der Dose bis hin zu Austern, Aubergine BBQ mit geschmorten Lammbäckchen und Rindsroulade mit Kartoffeln und Rotkraut. Besonders beliebt sind zusammengestellte Platten, die man sich mit Freunden und Kollegen teilt.

Die Einrichtung?

Neben dem verglasten Weinkeller gegenüber dem Eingang, in dem rund 4.000 Flaschen lagern, dominiert der Tresen aus Eiche. Hier kann man wunderbar neue Bekanntschaften schließen. Wer sich schon kennt, nimmt im vorderen Gastraum auch gern an dem langen Stammtisch Platz.

Betreiber?

Die Weinbar gibt es seit gut einem Jahr. Willi kennen viele aus der Cordobar, deren Mitbegründer und Frontmann er war. Sein Kompagnon am Tresen ist Johannes, der zuvor als Sommelier im Restaurant Nobelhart & Schmutzig wirkte.

Veranstaltungen?

Die Freundschaft ist exklusiv buchbar für vier bis 120 beste Freunde. Für Geburtstage, Firmenfeiern, Partys von Galerien und Buch-Präsentationen. Gesamtkunstwerk Udo Lindenberg las hier schon aus seiner Autobiografie. Anfang November gab es ein Pre-Martinsgans-Essen, bei dem Winzer aus der Wachau ihre Weine präsentierten. Zwischen den Jahren, also vom 27. bis zum 30. Dezember, gibt es eine „große Sause“, so Willi, und am Silvesterabend kann man zu Leberkässemmel und Champagner ohne Reservierung vorbeikommen. Im Januar ist dann erst mal für zwei Wochen zu.

Musik?

Nostalgiker wie Trendsetter kommen auf ihre Kosten. Es werden ausschließlich Vinyl-Schallplatten gespielt, von 70er- Jahre-Soul und Austro-Pop von Falco & Co., der bei den beiden Österreichern natürlich nicht fehlen darf, bis hin zu Hiphop und Ambience: „Wir reagieren darauf, wie die Stimmung gerade so ist.“

Kundschaft?

Viele Stammgäste aus der Nachbarschaft. Relativ junge Weintrinker in den Vierzigern und Fünfzigern. Das sind vor allem Leute, die in den umliegenden Büros arbeiten und nach Feierabend auf ein oder mehrere Achtel vorbeischauen. Die Bar ist außerdem ein Auffangbecken für Gäste von Restaurants wie Cookies, Grill Royal und Borchardt, die noch nicht nach Hause wollen. Für Insider: das Publikum der King Size Bar von vor 10 Jahren.

Zukunft?

Zunächst drei Jahre erfolgreiches Bestehen. Am Konzept der zeitlosen Weinbar, deren beide Macher immer vor Ort präsent sind, drehen sie höchstens an kleinen Stellschrauben. Mit dem freien Wochenende sind sie Pioniere: „Das ist der einzige Weg, wie man sich eine personalintensive Gastronomie leisten kann“. Beim Wein setzen sie vor allem auf Geschmack und weniger auf technische Daten, bei den Produzenten auf persönliche Kontakte und individuelle Herstellung.

Geöffnet?

Montag bis Freitag von 18 Uhr „bis es vorbei ist“. Außer für größere Gruppen, die vorher lieber anrufen sollten, finden alle immer genug Platz, hier wird keiner weggeschickt.

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