Südamerikanische Herzlichkeit in Berlin

Foto: Chilenische Botschaft

Chiles Botschaft in der Mohrenstraße, nur ein paar Schritte vom Gendarmenmarkt entfernt, ist leicht zu finden. Am Haus flattert die blau-weiß-rote Flagge der Andenrepublik. Botschafterin Magdalena Atria kommt mir lächelnd entgegen, begrüßt mich mit südamerikanischer Herzlichkeit, bittet zum Kaffee in ihr großzügiges Arbeitszimmer. Wir kennen uns gut, ich bin ihr schon auf vielen diplomatischen Empfängen begegnet. Weil ich schon mehrmals in Chile war, gehen uns die Gesprächsthemen nie aus.

Außer ihrer Muttersprache Spanisch spricht die Botschafterin Englisch und Deutsch. Englisch hat sie in den USA gelernt. Ihr Vater war in Chile stellvertretender Bergbauminister. Als 1973 Augusto Pinochet ans Ruder kam, verlor der Christdemokrat seinen Job und ging als Unternehmer nach New York. Tochter Magdalena besuchte die High School in Connecticut. Deutsch kam viele Jahre später hinzu. In Heidelberg. „Und bei Ausflügen am Neckar“, erinnert sie sich. 2018/2019 hat Magdalena Atria ein Masterstudium Internationales Recht mit Schwerpunkt Investitionen, Handel und Internationale Schiedsverfahren an der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität absolviert. Als sie 2022 von Chiles neuem Präsidenten Gabriel Boric gefragt wurde, ob sie sich vorstellen könne, als Botschafterin nach Berlin zu gehen, mag das eine Rolle gespielt haben. Damals leitete die Juristin die Rechtsabteilung der Agentur zur Förderung von Auslandsinvestitionen, InvestChile. Vorher hat sie als Anwältin in renommierten Kanzleien gearbeitet.

Gabriel Boric, ein früherer Studentenführer, wurde im März 2022 Präsident der Andenrepublik, mit 35 Jahren der jüngste in der Geschichte des südamerikanischen Landes. In der Stichwahl hatte er sich gegen José Antonio Kast, den Kandidaten des rechten Lagers, dessen Eltern in den 1950er Jahren aus Deutschland nach Chile eingewandert waren, durchgesetzt. „Die Leute wollten den Wechsel“, ist die Botschafterin überzeugt. Der neue Präsident hat soziale Reformen versprochen. Das gewaltige Gefälle zwischen Arm und Reich soll verringert werden. Mindestlohn und Renten sollen erhöht, das staatliche Krankenversicherungssystem verbessert werden. „Ich hoffe, dass wir damit Erfolg haben“, sagt die Botschafterin. Einen Dämpfer erlebte die Boric-Regierung beim Referendum über eine neue chilenische Verfassung. Der Text wurde zweimal abgelehnt.

Ihr Mann Luis Cordero ist Juraprofessor. „Präsident Boric hat bei ihm studiert“, verrät mir Magdalena Atria. Als sie zur Botschafterin in Berlin ernannt wurde, nahm sich ihr Mann an der Uni eine Auszeit, flog mit der Familie nach Deutschland. Inzwischen ist er zurück in Santiago, denn Boric hat ihn zu seinem Justizminister gemacht. Im Juni weilte der Präsident zu einem mehrtägigen Staatsbesuch in Berlin, der Justizminister war dabei. „Er war so beschäftigt, dass wir nur wenig Zeit miteinander verbringen konnten“, sagt die Botschafterin. Dafür hat sie ihren Mann, der ein leidenschaftlicher Fußballfan ist, dann ein paar Wochen später zum Finale der Euromeisterschaft, Spanien gegen England, ins Berliner Olympiastadion eingeladen. „Die Tickets habe ich schon im Januar gekauft.“

Die Residenz der Botschafterin, ein weißer Neubau mit großem Garten, steht in der Rheinbabenallee, zwischen Roseneck und Wildem Eber. Das moderne Haus wurde 2002 nach einem Entwurf des chilenischen Architekten Gonzalo Mardones gebaut. Auch die Möbel stammen aus Chile. Sie möge die ruhige Lage sehr, sagt die Botschafterin. „Mit meinen drei Hunden bin ich schnell im Grunewald.“ Ihre Mischlingshunde Bardo und Jeronimo und die Hündin Pitu stammen aus Santiago. „Dort habe ich sie von der Straße geholt“, so Magdalena Atria. Der Fahrweg von ihrer Residenz in die Kanzlei sei kürzer als gedacht, sagt sie. In 20 bis 25 Minuten bringt sie ihr Chauffeur mit der Botschafterlimousine, ein schwarzer Audi A8, in die Mohrenstraße.

Zwei ihrer drei Kinder, die Söhne Antonio und Matias , wohnen mit ihr in der Rheinbabenallee. Antonio studiert an der FU American Studies, Matias will Drehbuchautor werden. Tochter Elisa studiert Epidemiologie an der Charité. Elisas Freund, heißt Apoorv und ist ein IT-Experte aus Indien. Mit ihrer Tochter gehe sie gern zusammen ins Fitness-Studio „Clays“ in der Clayallee, erzählt die Botschafterin. „So oft wie möglich!“ Dort gebe es sogar einen 25-Meter-Pool zum Schwimmen. Die freien Abende verbringt Botschafterin Magdalena Atria gern mit Lesen. Ihre deutschen Lieblingsautoren sind Ferdinand von Schirach und Bernhard Schlink. Vielleicht kein Zufall, dass beide Juristen sind.

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