Mit dem Rücken zum Platz

Sehenswürdigkeiten in Potsdam - Französische Kirche - Knobelsdorff Foto: Landeshauptstadt Potsdam/Michael Lüder

Denkmal links, Sehenswürdigkeit rechts. Potsdam hat mehr als andere Städte. Wir beginnen mit diesem Beitrag eine Serie, in der wir Ihnen Bauwerke mit Geschichte und Geschichten vorstellen. Den Anfang macht ein Kleinod, das mehr als einen zweiten Blick verdient: die Französische Kirche an der Ostseite des Bassinplatzes, durch Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff und Jan Boumann d. Ä. unter König Friedrich II. in den Jahren 1751–53 erbaut. Architektonisches Vorbild war das Pantheon in Rom. Andere Quellen verweisen auf die Kuppel im Mittelteil des Schlosses in Sanssouci – ebenfalls ein Knobelsdorff-Bau.

Die Kirche, die in ihrer Schlichtheit und Größe oft im Schatten der Nikolaikirche steht, gab den vertriebenen Hugenotten eine neue Heimat in Preußen. Sie ist heute die älteste erhaltene Kirche im historischen Stadtgebiet. Thomas Sander, Dipl.-Ing. für Architektur und exzellenter Kenner der Potsdamer Baugeschichte, öffnet den Blick für den ungewöhnlichen Standort mit dem Rücken zum Bassinplatz. „Die Kirche liegt in der Sichtachse der Französischen Straße, einst Quartier der französischen Glaubensflüchtlinge, die 1723 eine selbstständige Kirchengemeinde mit eigenem Pastor wurden. Der Portikus nahm ursprünglich die gesamte Breite der Straße ein – wie eine Bühneninszenierung fluchtete die Straße perspektivisch zur Kirche und die Tempelfront bildete deren Abschluss und Höhepunkt. Leider ist davon heute nichts mehr zu erahnen, da die Gegend im Krieg komplett zerstört wurde.“ In den Nischen neben dem Eingang stehen zwei überlebensgroße allegorische Figuren des Bildhauers Friedrich Christian Glume: Caritas, die für Liebe und Wohltätigkeit steht, und Spes, Verkörperung der Hoffnung – Glaube, Liebe, Hoffnung verweisen auf die Bibel. Darüber befinden sich die Reliefs „Vertreibung der Wechsler aus dem Tempel“ und „Gleichnis vom Zinsgroschen“. In der Mitte symbolisiert die Kirchentür den Glauben.

„Bis 1750 nutzte die Französisch-Reformierte Gemeinde die Schlosskapelle im Stadtschloss, danach, bis zur Fertigstellung des eigenen Gotteshauses, die Hof- und Garnisonkirche. Gepredigt wurde in Französisch – anfangs einem der Literatur entlehnten, modernen Hoch-Französisch, das aber, bedingt durch das lange Exil, schon in den Ohren der napoleonischen Soldaten recht altertümlich klang. Dennoch förderte die Sprache den kulturellen Zusammenhalt der Gemeinde“, erzählt Thomas Sander. „Die neu errichtete Kirche erstaunte viele: Sie war schlicht, selbst im Inneren schmucklos. Frei von Bildern, Kruzifix, Altar und Kerzen, dafür Platz für Gedanken, Konzentration auf die Schrift, optische Stille, Klarheit und Direktheit. Die Fenster waren und sind nach der Sanierung farblos verglast. Typisch für die Reformierten, aber untypisch für die Zeit des Barocks. Die einschalige, (Komma setzen!) frei tragende Kuppel verblüffte die Baumeister noch Jahre später.“ Übrigens ein Grund dafür, dass bereits wenige Jahre nach Inbesitznahme des ovalen Baus die Handwerker erste Wasserschäden beseitigen mussten. „Die Kirche besaß von Beginn an eine umlaufende Holzempore. Dort saßen die Männer, das Parkett bot Frauen und Kindern bei den Gottesdiensten Platz. Diese Sitzordnung hatten die Gemeindemitglieder aus Verfolgungszeiten in Frankreich mitgebracht: in der Mitte die Schutzbedürftigen, außen die Starken.“ Nach den Schäden während der Napoleonischen Besetzung wurde Schinkel beauftragt, die Renovierungsarbeiten an der Kirche zu beaufsichtigen. „Ihm ist es zu verdanken, dass die originalen Strukturen des Baus erhalten blieben und Pläne, eine Sakristei oder eine zweite Empore zu errichten, keine Chance hatten“, so Thomas Sander, der noch viel berichten kann über die Orgel, die überlieferten originalen Zeugnisse, das einstige Leben in der Französischen Gemeinde und die Restaurierungsarbeiten – die letzten erfolgten übrigens zu Beginn des Jahrtausends.

Lebendig ist das Leben im Inneren des Kirchenhauses. „Wir sind eine Gemeinde, die entgegen allen Trends stetig wächst“, berichtet Pastorin Hildegard Rugenstein, die vor gut 30 Jahren die Gemeinde übernahm, die davor zehn Jahre ohne Pfarrer überstanden hatte. „Wir sind krisengeübt und krisentauglich; schließlich entstand ja die Hugenottengeschichte durch eine Kirchenkrise“ Die Pastorin schwärmt vom „Tempelchen“, wie es Knobelsdorff nannte. „Die Kirche hat eine eigene Spiritualität. Sie ist sehr kommunikativ und ermöglicht andachtsvolle Gottesdienste.“ Heute zählt sie fast 200 Mitglieder, die Hildegard Rugenstein liebevoll als „lebhafte Projektgemeinde“ beschreibt, die „biblisch verwurzelt, aber sehr modern ist.“ Die Gottesdienste werden in hugenottischer Tradition gefeiert, wobei stets die „zehn Worte“ (zehn Gebote) gesprochen werden. Viel Engagement lebt in der Gemeinde, dafür steht beispielhaft der Eine-Welt-Laden im Holländischen Viertel, der älteste im Osten der Republik. „Wir sind historisch eine Flüchtlingsgemeinde und wollen sensibel für Menschen in Notsituationen bleiben.“

von Brigitte Menge

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