Sie hatte die besten Aussichten auf eine Karriere als Juristin. Inzwischen sammelte Juli Zeh nicht nur alle renommierten Literaturpreise des Landes ein, sondern veröffentlichte auch gerade einen großen Gesellschaftsroman.
Bereits mit ihrem Debütroman „Adler und Engel“ – einer Mischung aus Drogenthriller, Kapitalismuskritik und Initiationsgeschichte – überzeugte die damals 27-jährige Juli Zeh Leser und Literaturkritik gleichermaßen. Das Buch wurde in 31 Sprachen übersetzt. Ihm folgte das Bosnien- Reisetagebuch „Die Stille ist ein Geräusch“, in dem sie im Sommer 2001 auf den Balkan reist, um zu erfahren, ob „Bosnien- Herzegowina ein Ort ist, an den man fahren kann. Oder ob er zusammen mit der Kriegsberichterstattung vom Erdboden verschwand“. Es entstand eine spannende, witzige und nie pathetische Reiseschilderung über ein Land, in dem die Stille selbst eine Stimme hat. Längst ist Juli Zeh eine der profiliertesten deutschsprachigen Autorinnen, deren Bücher in 35 Ländern gelesen werden. Dabei sah die ursprüngliche Lebensplanung der heute 42-Jährigen ganz anders aus. Geboren im Herzen der alten Bundesrepublik, studierte sie nach dem Abitur in Bonn Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Völkerrecht in Passau, Krakau, New York und Leipzig. Nach einem Praktikum bei der UNO in New York folgte ein juristischer Aufbaustudiengang „Recht der Europäischen Integration“, den sie als Magistra der Rechte (LL.M. Eur.) abschloss. Beste juristische Karriereaussichten – wäre da nicht die Liebe zur Literatur gewesen. Die erfüllte sie sich noch vor dem Abschluss des Jurastudiums mit einem Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Erfolgreich, mit einem Diplom im Jahr 2000. Zehn Jahre später wurde die Juristin und Schriftstellerin an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken zum Dr. iur. promoviert.
In den Osten kam sie viel früher: 1995 zog die Autorin, die inzwischen alle renommierten Literaturpreise des Landes und internationale Auszeichnungen einsammelte, von Passau nach Leipzig. Die Stadt blieb gut 20 Jahre ihr Lebensmittelpunkt, bis sie 2005 im Immobilienteil einer Berliner Zeitung ein winziges Foto von einem Haus in Brandenburg entdeckte. „Eine Bruchbude“, in die sich die ganze Familie Hals über Kopf verliebte, eine „Amour fou“, wie die Autorin bekennt. Inzwischen lebt sie mit Mann und zwei Kindern im Landkreis Havelland und findet in der Flusslandschaft die Ruhe zum Schreiben. Die 300-Seelen-Gemeinde, deren Name ein gut gehütetes Geheimnis ist, bietet Julie Zeh, die zuvor ein bekennender Stadtmensch war, das Umfeld, in dem jeder dem andern „so wenig wie möglich auf die Nerven“ geht. Dank Internet ist die große weite Welt auch in der Idylle stets präsent. Doch manchmal kann die Idylle auch die Hölle sein. Wie das Dorf „Unterleuten“ irgendwo in Brandenburg, in dem das gerade erschienene Buch von Juli Zeh spielt. Es ist ein großer Gesellschaftsroman über die wichtigen Fragen unserer Zeit, der sich hochspannend wie ein Thriller liest. Gibt es im 21. Jahrhundert noch eine Moral jenseits des Eigeninteresses? Woran glauben wir? Und wie kommt es, dass immer alle nur das Beste wollen und am Ende trotzdem Schreckliches passiert?