Seit dem Frühjahr ist er der neue Mann an der Spitze der GASAG AG: Dr. Gerhard Holtmeier. Der 55-jährige in Freiburg geborene Jurist war zuletzt Vorstand bei der Thüga AG in München. Mit uns hat er über seine Ziele und seine Sichtweise als neuer Vorstandsvorsitzender gesprochen.
Herr Dr. Holtmeier, Sie sind seit rund acht Monaten in Ihrer jetzigen Position. Was ist hier in Berlin anders als bei Ihren bisherigen Stationen in der Energiewirtschaft?
Als Vorstandsvorsitzender hat man einen ganz anderen Blick auf die Dinge. Ich schaue auf die GASAG einerseits, andererseits auf die Tochtergesellschaften. Es gibt ein politisches Umfeld. Es ist also ein viel breiteres Spektrum, was bearbeitet werden muss.
Sie haben im Vorstand eine Strategie mit dem Titel GASAG 2025 entwickelt, in der Wachstum das zentrale Ziel ist. Auf welche Kerngeschäfte fokussiert sich das?
Wir haben eine über 170-jährige Tradition, die wir nicht vergessen. Heute sind wir in erster Linie ein Infrastrukturdienstleister, damit meine ich den Netzbereich, der bei uns in der NBB angesiedelt ist. Dann haben wir einen großen Vertriebsbereich, bei dem wir uns sehr stark auf die Heimatregion Berlin und Brandenburg konzentrieren. Und der dritte Bereich, der in den vergangenen Jahren entstanden ist, sind die Energiedienstleistungen. Da bieten wir unseren Kunden zum Beispiel Energiekonzepte für ganze Quartiere, vom Dach bis in den Keller.
Wie läuft das Stromgeschäft, das sie ja noch nicht so lange betreiben?
Sehr zufriedenstellend. Wir sind der deutschlandweit am schnellsten wachsende Ökostromanbieter und haben zuletzt rund 160.000 Stromkunden gewonnen. Ende 2018 werden wir dann 240.000 Ökostromkunden haben. Vor allem in Berlin und Brandenburg, aber auch im Bundesgebiet. Wir vergessen dabei aber auch nicht unseren Kernmarkt, das Erdgasgeschäft. Das konnten wir stabilisieren. Unser Ziel ist es hier zu vermitteln, Gas kann Grün. Gas ist umweltfreundlich.
Sie haben in Steglitz-Zehlendorf ein besonders Angebot für Kunden mit Ölheizungen. Wer sich von seinem alten Tank trennt und auf Erdgas setzt, erhält eine stattliche Förderung. Wie nehmen die Kunden ein solches Angebot an?
Wir haben einerseits gezeigt, dass wir als GASAG etwas zur CO2-Reduzierung tun. Anderseits haben wir eine Blaupause für das Land Berlin entwickelt. Indem wir nachgewiesen haben, dass gezielte Förderung dazu führt, dass Hauseigentümer nicht nur darüber nachdenken, eine neue, klimafreundliche Heizungsanlage einzubauen, sondern dass sie auch handeln. Wir sind stolz darauf, dass das Land Berlin sich hier bei uns Anregungen für ein eigenes Programm holt.
Liberalisierung Energiemarkt. Was machen Sie anders?
Wir haben für alle energiewirtschaftlichen Fragen eine Lösung. Und wir denken schon weiter: Die GASAG will sich für eine CO2-neutrale Zukunft einsetzen. Dabei prüfen wir auch, wie künftig noch stärker Biogas oder Wasserstoff in den Energiemix eingespeist werden können. Ein Thema ist dabei die Windenergie, die beispielsweise in Brandenburg erzeugt wird. Die große Herausforderung besteht darin, sie zu speichern und zu transportieren. Andererseits erzeugen beispielsweise Windräder und Solaranlagen aktuell oft mehr Energie, als das Stromnetz aufnehmen kann. Mit Power-to-Gas gibt es dafür eine Lösung. Die neue Technologie wandelt elektrische Energie zu Wasserstoff um und macht das vorhandene Gasnetz zum Speicher- und Transportmedium. Denn Wasserstoff kann umgehend in das Erdgasnetz eingespeist und jederzeit für Gasoder Blockheizkraftwerke, für die Heizung oder den Betrieb von Erdgasfahrzeugen entnommen werden.
Die E-Mobility ist ja bereits jetzt schon ein wichtiges Thema für Sie und man sieht oft in Ihrer Werbung einen kleinen Elektro-Smart.
Ja, immer mehr davon fahren auch durch die Stadt. Mobilität ist also in der Tat ein Thema für uns, ob nun elektrisch oder mit Erdgas. Für das Handwerk oder für den Taxibereich wollen wir Alternativlösungen zur Dieseltechnologie anbieten. Da werden wir bald mit einem konkreten Angebot auf den Markt kommen, um zu zeigen, dass und wie es gehen kann.
Stichwort Digitalisierung. Wo steht der Energiemarkt und wo steht die GASAG?
Wie digital wollen, oder besser, müssen Sie werden? Digitalisierung heißt für uns: Wir müssen vor allem die Prozesse anpassen. Produkte, Prozesse und die Kommunikation sind heute schon so angelegt, dass effizientere und intelligentere Abläufe mehr Nähe zulassen – zu Kunden, zu Partnern und zu Mitarbeitern. Wir müssen Angebote bieten, die die unterschiedlichen Kundengruppen ansprechen, da die Altersspanne zwischen 18 und mehr als 95 Jahren liegt. Wir wollen jeden Kunden da abholen, wo er steht. So bieten wir weiterhin Kundencenter für die meist älteren Kunden an. Auch unsere Telefon- Hotline erfreut sich großer Beliebtheit. Wichtig ist es auch, die jungen Verbraucher und potenziellen Neukunden ins Boot zu holen, die ein ganz anderes Kommunikations- und Nutzungsverhalten haben. Auch Werbung wird digitaler: Aktuell läuft in rund 200 Berliner Kinos ein GASAG-Werbespot. Dazu passend werden Smartphone-Nutzern im Umkreis der Kinos automatisch Inhalte der GASAG gezeigt, die sich wiederum auf den Kinospot beziehen.
Sie arbeiten auch mit Start-ups zusammen?
Mit welchen? Aktuell kooperieren wir beispielsweise mit LITION, einer digitalen Plattform, die auf der neuen Blockchain-Technologie basiert. Dabei nutzt LITION Erneuerbare- Energien-Anlagen der GASAG. Die Energiebörse für jedermann ist seit Mai 2018 auf dem Markt und kooperiert nicht nur mit nachhaltigen Erzeugungseinheiten, sondern auch bei Abrechnung und Service mit Unternehmen der GASAG- Gruppe. Aus dieser Kooperation können wir lernen, wie schnell sich so ein Geschäft entwickelt. Dabei können wir wertvolle Erfahrungen sammeln wie z. B., welche Kundensegmente damit erreicht werden können.
Wie zufrieden sind denn eigentlich Ihre Anteilseigner mit der GASAG?
Ich denke Sie sind mit dem eingeschlagenen Weg sehr zufrieden. Wir sind ein Traditionsunternehmen mit einem sehr stabilen Ergebnisbeitrag. Das Thema Wachstum heißt ja, dass wir unseren Kundenanteil im Wärmemarkt von jetzt 44 Prozent nicht nur halten, sondern ausbauen wollen. Mittelfristig wollen wir eine Million Kundinnen und Kunden versorgen.
Am EUREF Campus baut die GASAG gerade ihre neue Firmenzentrale. Wie ist der Stand der Bauarbeiten? Alles im Zeitplan?
Absolut. Da habe ich überhaupt keine Sorge. Das läuft und wird rechtzeitig fertig. Damit kommen wir 2020 an einen Traditions-Standort der GASAG zurück und arbeiten dort an der Energiezukunft Berlins. Zurück in die Zukunft, wenn Sie so wollen.
Sie sind seit acht Monaten in Berlin. Hat die Stadt bislang gehalten, was Sie sich davon versprochen haben?
Ich habe mit meiner Frau eine schöne Wohnung in Charlottenburg gefunden. Unsere Kinder sind groß, machen Abitur und studieren und wir können es genießen, mitten in der City zu wohnen und nur ein paar Schritte von guten Restaurants entfernt zu sein. Wir fühlen uns hier sehr wohl hier. Darüber hinaus besuche ich gerade alle Bezirksbürgermeister Berlins, weil ich darüber auch alle anderen Kieze kennen lernen möchte.
Gibt es etwas, was Sie hier vermissen?
Nein. Wir genießen das Leben als „kinderloses“ Paar. Dies eröffnet uns viele Möglichkeiten.