Christian Redl ist uneitel: „Der Hauptdarsteller ist der Spreewald“, weiß der Darsteller des introvertierten Kommissars Krüger. Im Herbst wurde der 11. Spreewaldkrimi gedreht.
Der Oktoberhimmel ist wolkenverhangen, die Luftfeuchtigkeit dringt hartnäckig durch alle Kleidungsschichten Richtung Haut, letzte Nebelschwaden versperren den Blick in die Weite der Landschaft – Spreewaldkrimi-Wetter. „Regnen sollte es nicht, wir drehen draußen“, sagt Wolfgang Esser mit Blick nach oben. Der Filmproduzent ist der geistige Vater der Krimis inmitten der Kulturlandschaft im Südosten Brandenburgs. In einer Zeit, als die Ermittler im deutschen Fernsehen zur besten Sendezeit fast ausnahmslos in Großstädten unterwegs waren, suchte er nach einem Stoff, der einen Landschaftskrimi trägt. „Ein Drama als Märchenfilm in einer geschichtsträchtigen Gegend, in dem die Landschaft zum heimlichen Hauptdarsteller wird.“ „Es war so, dass Thomas Kirchner (damals noch ein unbekannter Autor) sich bei mir 2003 mit einem ganz anderen Stoff beworben hatte, der aber keine Chance auf Verfilmung hatte. Mich faszinierte der besondere Schreibstil von Thomas Kirchner. Beim Lesen konnte man alles quasi riechen und schmecken. Ich entwickelte mit ihm einen Landschaftskrimi nach unseren gemeinsamen Vorstellungen, für den wir dann im ZDF-Redakteur den geistigen Verbündeten auf Senderseite fanden und somit dann letztlich die Tür geöffnet war, den ersten Spreewaldkrimi realisieren zu können“, erinnert sich Wolfgang Esser. Schon bei der ersten Recherchereise faszinierte den gebürtigen Rheinländer die Landschaft der Kanäle und Fließe, die Stille und das Licht beim Übergang der Tageszeiten. Im Kopf des Filmmenschen entstanden Bilder mit den Gestalten aus den Sagen, Märchen und Mythen der Region.
Das Wetter hält und gedreht wird eine Szene mit Christian Redl und Thorsten Merten, der als Lyrik-liebender Polizeioberkommissar Fichte gemeinsam mit dem weltskeptischen Kriminalhauptkommissar seit dem ersten Film „Das Geheimnis im Moor“ (2006) die oft mit der Vergangenheit verwobenen Fälle klärt. Die einzigartige vom Wasser abhängige Auenlandschaft mit ihren traditionsliebenden Bewohnern färbt offenbar auch auf die Filmmenschen ab, denn nicht nur das Dreigestirn Esser-Rampelt- Kirchner und die beiden Ermittler arbeiten von Beginn an im Spreewaldkrimi-Team, auch viele Mitarbeiter der Crew gehören zur Stammbesetzung seit der ersten Klappe. „Wir hören gut aufeinander“, berichtet Hauptdarsteller Christian Redl, der beschreibt, dass er selbst in dieser Landschaft immer wieder Ruhe findet: „Ich gehe langsamer, atme ruhiger“, bekennt der Charakterkopf mit der markant-tiefen Stimme. „Die Geschichten kommen aus dem Wald und gehen über auf die Menschen. Auch das Unheimliche kommt von dort und dringt in ihre Köpfe ein.“ Alle Episoden der Spreewaldkrimis sind regional verwurzelt und „fassen aktuelle gesellschaftliche Themen an. Sie erzählen die kleinen Geschichten, die noch zwischen Ost und West verhandelt werden müssen“, so Wolfgang Esser. Es ist keine leichte Fernsehkost, denn gleich den fast 1.000 Kilometer langen verästelten Armen der Spree verzweigt sich das Geschehen, bringen Rückblenden Vergangenes an die Oberfläche. Und immer wieder treiben das Wasser, die Bäume, das Licht, die Stille oder zornige Gewalten wie Feuer und Sturm das Geschehen voran. Es gibt Szenen, da fehlen Geräusche völlig, in anderen steht der Zuschauer (zumindest emotional) mit Krüger im Regen. „Wenn Krüger mit dem Wald spricht, spricht auch der Wald mit Krüger“, beschreibt Produzent Esser. Diese atmosphärische Dichte stellte an die gesamte Crew höchste Anforderungen, schließlich ist die Dorfstraße hier ein Fließ. So mancher Drehtag verlangt von den Technikern mehr Wagemut als üblicherweise von Stuntmännern, wenn die schwere Technik auf Kähne verladen werden muss, Kabel quer über die Kanäle verlegt werden oder LKW nach tagelangem Regen in den Wiesen zu versinken drohen. „Man macht bei jedem Film neue Erfahrungen“, weiß Wolfgang Esser.
Dieser Drehtag ist eher laut, denn um die Mittagszeit landet im Schlosspark Lübbenau ein Hubschrauber. Das erstaunt Passanten, die stehen bleiben und sich erkundigen, was hier gedreht wird. Der Spreewaldkrimi hat in der Region einen Bekanntheitsgrad von 100 Prozent. Und er weckt Reiselust, obwohl die Bilderbuch-Ansichten fehlen. Seit dem Start der ersten Episode stiegen die Tourismuszahlen zwischen Lübben und Burg um rund 20 Prozent. Ein Zufall? Jedenfalls wächst die Fangemeinde der ZDF-Filme ständig, Zuschauer aus allen Bundesländern, Österreichs, der Schweiz und Skandinavien kommen hierher, um den Hauptdarsteller Spreewald kennenzulernen. Die Krimi-Reihe hat einen eigenen Facebook-Account, einen Wikipedia-Eintrag, es gibt Touren für Touristen zu den Originalschauplätzen der Filme. Christian Redl ist ganz nebenbei zu einem ehrenamtlichen Spreewald-Botschafter avanciert. Einem glaubhaften. Für seine tiefe Zuneigung zur Region spricht auch seine Hochzeit im Schloss Lübbenau vor zwei Jahren.
Am Abend ist die Crew zufrieden. „Alles wie geplant geschafft“, fasst Wolfgang Esser zusammen. 24 Drehtage sind für den elften Film vor Ort im Spreewald geplant. Er trägt den Arbeitstitel „Das Lächeln der Schimäre“ und bringt ein Wiedersehen mit Nadja Uhl in die Rolle der Tanja Bartko. Sie war die hochschwangere Frau, in die sich Kommissar Krüger im zweiten Spreewaldkrimi 2009 heimlich verliebte. Nun kommt sie mit neuem Lebensgefährten, zehnjährigem Sohn und ehrgeizigen Hotelbauplänen in den Spreewald zurück. Es geht um Neid und Naturschutz, um Anschuldigungen und eine Anklage. Ausgestrahlt werden soll der 11. Spreewaldkrimi im Herbst 2018. Da ist das Team vermutlich mitten im Spreewald bei den Dreharbeiten zum 12. Landschaftskrimi.