Artur Brauner prägte das Gesicht des deutschen nachkriegsfi lms wie kaum ein anderer Filmproduzent – seine 1946 gegründete CCC-Film (Central Cinema Company) mit den Filmstudios in Berlin-Spandau an der eiswerderstaße bestehen immer noch.
Und auch der Gründer ist noch wohlauf. „Nur die Beine sind etwas wackelig“, sagt seine Tochter Alice Brauner. Vor nun fast 98 Jahren wurde Artur „Atze“ Brauner in Lodz als Sohn eines jüdischen Holzgroßhändlers geboren, stieg nach dem Zweiten Weltkrieg zu Deutschlands größtem Filmproduzenten auf. Aber er hat auch die Schattenseiten des Lebens eines Filmproduzenten kennengelernt – als nämlich Anfang der 60er-Jahre der deutsche Film in eine Krise geriet, weil viele dem Kino und den dort gezeigten Filmen den Rücken kehrten: „Zu spießig, zu konventionell“, hieß es. Die Antwort war dann im Februar 1962 das „Oberhausener Manifest, die Geburtsstunde des „Neuen deutschen Films“ und der Absturz von „Papas Kino“.
Wenn es im Wirtschaftswunderland der 50er-Jahre einen Mann gegeben hat, der am ehesten mit einem Hollywoodmogul verglichen werden kann, so ist das Artur Brauner, den Filmstar Curd Jürgens einst liebevoll „Atze“ getauft hat. Unmittelbar nach dem Krieg begann er mit der filmischen Aufarbeitung der Nazizeit: mit „Morituri“, einem Film über die Opfer des Dritten Reiches. In diesem ersten Werk der CCC-Film thematisierte Brauner seine Zeit im KZ. Ein Thema, das ihn bis heute nicht loslässt, denn seine Familie wurde von den Nazischergen fast völlig ausgelöscht. Er erinnert sich: „Ich habe mir geschworen, wenn ich diese braune Pest überlebe, dann werde ich ein Denkmal den lebenden Opfern setzen, die umgebracht worden sind, die wehrlos umgebracht worden sind.“ Aber an der Kinokasse war „Morituri” ein Flop, ganz offensichtlich waren anspruchsvolle Themen mit Tiefgang kurz nach Ende des Krieges nicht gewünscht. Die Menschen wollten Unterhaltung, Fröhlichkeit und Entspannung. Brauner zog die Konsequenzen und setzte von da an verstärkt auf eher harmlose Unterhaltungsware: In den 50er- und 60er-Jahren drehte er etliche Filme dieser Art mit O. W. Fischer, Sonja Ziemann, Caterina Valente und Peter Alexander. Artur Brauner: „Damals habe ich durchgearbeitet mit einem solchen Enthusiasmus und Energie, aber heute macht es keinen Sinn, damals war es eine Aufbauarbeit voller Hoffnung. Heute wüsste ich gar nicht, wo ich ansetzen soll, es ist alles so profan …“ Apropos „profan” – damit argumentierten im Februar 1962 auch die Begründer des Oberhausener Manifests und kritisierten Filme aus dem Hause Brauner.
Die seichten Filme seien wenig geeignet, sich mit den Schrecken der NS-Zeit auseinanderzusetzen. Im Gegenteil: Die harmlose Hausmannskost helfe eher bei der Verdrängung. Unter dem Motto „Opas Kino ist tot“ forderten Filmemacher wie Alexander Kluge, Peter Schamoni und Edgar Reitz die cineastische Kulturrevolution. Denn sie wollten den „neuen deutschen Film” schaffen, frei von Kommerz und Bevormundung durch Interessengruppen. Erfolge stellten sich aber nur langsam ein, erst einmal in Form von Kurzfilmen, dann aber auch mit Spielfilmen wie „ES“ von Ulrich Schamoni oder Schlöndorffs „Der junge Törless“. Für die Berliner CCC-Studios war diese Entwicklung nicht ohne wirtschaftliche Folgen: Die Ateliers konnten nicht mehr ausgelastet werden, Brauner verlegte sich auf Coproduktionen und vermietete seine Studios ans Fernsehen. Dabei hatte Brauner mit seiner CCC-Filmkunst immer wieder auch anspruchsvolle Filme produziert: Wajdas „Eine Liebe in Deutschland“, Szabos „Hanussen“ oder auch „Die weiße Rose“ von Michael Verhoeven.
Heute sind von ehemals acht Studios noch drei übrig. In denen drehte z. B. schon Tom Tykwer und kürzlich Oliver Berben „Terror“ nach dem Roman von Ferdinand von Schirach. Auch die Krimiserie „Kriminaldauerdienst“ wurde hier inszeniert. „Die Hallen sind also gut gebucht“, sagt Alice Brauner, die seit ein paar Jahren Geschäftsführerin der CCC Cinema und Television GmbH ist. „Sie sind zu 80 Prozent ausgelastet.“ Die 1,5 Millionen Euro für die Renovierung der Studiohallen zahlt sie aus der Familienschatulle.
Romy Schneider drehte hier Anfang der 80er-Jahre ihren letzten Film: „Die Spaziergängerin von Sanssouci“ und schon 1958 „Mädchen in Uniform“(BU). Auch „Schindlers Liste“ wollte Brauner lange vor Spielberg verfilmen, wartete aber vergebens auf Fördergelder. Sein persönlicher Favorit ist „Der brave Soldat Schwejk“ mit Heinz Rühmann – den musste er aber erst von der Rolle überzeugen, auch das, sagt Atze Brauner, sei Produzentenarbeit. „Ich bin ihm jahrelang nachgelaufen, er wollte den Film nicht machen, weil er der Meinung war, er sei kein Böhme, habe keine Kartoffelnase, sei nicht kompakt, sondern eher schmächtig … Ich bin aber mit ihm nach Prag gefahren, das war dann entscheidend!“
Artur Brauner, der auf die Frage, was er gern sein möge, „unsterblich“ antwortet, kommt mit vier Stunden Schlaf in der Nacht aus. „ Es ist eine Frage der Technik, meine Braut ist das kleine Diktiergerät … ich diktiere oft bis vier, halb fünf morgens, dann bringe ich es der Sekretärin, damit sie um neun schon tippen kann. Es muss alles diszipliniert ablaufen, sonst verliert man den Drive.“ Das sagt er fast beschwörend. Er, der Rastlose, der sich kaum Urlaub gönnt, steckt noch voller Energie.