Gigantische, organische Gebilde, die sich durch den Hamburger Bahnhof schlängeln, Leinwände voller Mystik und Erzählfreude in den Galerien Kuchling und Brockstedt sowie die ikonischen Fotografien von Ruth Orkins, die den Frauen der 1940er und 50er-Jahren in den USA ein Gesicht und eine Geschichte gaben. Die Berliner Kunstszene verschreibt sich diesen Winter mit vier außergewöhnlichen Einzelausstellungen den großen Künstlerinnen unserer Zeit.
Eva Fàbregas – Devouring Lovers
Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart
Genthiner Straße 38, 10785 Berlin-Mitte
Bis zum 14.01.2024
Pinke, orange und rote Gebilde winden sich im kolossalen Ausmaß in der historischen Halle des Hamburger Bahnhofs. Die Skulpturen der Künstlerin Eva Fàbregas scheinen wie eigene Organismen, die gelegentlich anfangen zu erbeben und aufzuzucken und die Besucher*innen so in ein Raumerlebnis einladen, das sämtliche Sinne anspricht. Auch der Titel, der sich frei mit „sich verschlingende Liebende“ übersetzten lässt, gibt dem körperlichen Aspekt der Ausstellung nochmal eine neue Dimension. Die bislang größte Einzelausstellung der spanischen Künstlerin wurde dabei eigens für die markante Architektur des Hamburger Bahnhofs entwickelt, die biomorphen Objekte dringen seitlich, von der Decke und über die Stahlträger ein, breiten sich aus und verwandeln so die industrielle Architektur der Museumshalle in einen organisch gewachsenen Raum.
Natascha Ungeheuer
Galerie Brockstedt
Mommsenstraße 59, 10629 Berlin-Charlottenburg
Bis zum 30.01.2024
Natascha Ungeheuers Kunstwerke sprühen von einer Lebendigkeit und Erzählfreude, sodass sie den Betrachtenden zunächst oftmals als verworrene Bilderrätsel vorkommen. Dabei bannt sie im wahrsten Sinne dicht geballtes Leben auf die Leinwände, die meist auf ihre eigene Geschichte zurückgreifen und auf ebene jene blickt die Galerie Brockstedt in ihrer neuen Ausstellung anlässlich des 85. Geburtstags der Künstlerin zurück. Ausgestellt werden Werke aus den Jahren von 1964 bis 2023. In all diesen Jahrzehnten intensiver künstlerischer Arbeit stellt sie mit scharfem analytischem Blick die menschliche Psyche ins Rampenlicht. Während die Gemälde durch ihre sprudelnde Fantasie wie festgehaltene Träume erscheinen, schildern sie doch die drastische Wahrheit menschlichen Lebens. Natascha Ungeheuer beschönt weder, noch verschweigt sie in ihren Werken etwas und doch zeigt sie zugleich die Fülle und Herrlichkeit des Lebens, deren Formen und Farben sie mit sicherem Pinselstrich festhält.
Saphira Kunst / Sela Loex
Galerie Kuchling
Karl-Marx-Allee 123, 10243 Berlin-Friedrichshain
Bis zum 02.02.2024
Die farbgewaltigen und skurrilen Großformate der Berliner Künstlerin Saphira Kunst strahlen momentan von den Wänden der Galerie Kuchling in Friedrichshain. Fantastische, bizarre bis hin zu grotesken Wesen tummeln sich in den Aquarellbuntstift- und Pastellkreidezeichnungen und erschaffen eine manchmal grelle und zuweilen jedoch auch mystische Atmosphäre. So ist es kaum verwunderlich, dass eine Inspirationsquelle für Saphira Kunst die Werke des Hollywoods Regisseurs Tim Burton sind. Der Name ihrer Solo-Ausstellung „DIE REIFE DER FRÜCHTE DIE TATEN DIE FOLGEN“ in der Galerie Kuchling scheint auch für die Karriere der Berlinerin Programm zu sein, denn die Künstlerin, die unter anderem auch unter dem Pseudonym Sela Loex arbeitet, steht gerade am Beginn einer fulminanten Karriere, bereits die British Vogue ist in diesem Jahr auf ihre ungewöhnlichen Bildwerke aufmerksam geworden. So erwartet die Kunstwelt mit großer Spannung die Taten, die auf die reifen Früchte ihrer Kunst folgen werden.
Ruth Orkin – Women
f³- freiraum für fotografie
Waldemarstraße 17, 10179 Berlin-Mitte
Bis zum 18.02.2024
Lauren Bacall, Jane Russell, Joan Taylor und Doris Day, aber auch Kellnerinnen, Stewardessen, Soldatinnen und beste Freundinnen blicken mal heiter, mal verführerisch oder auch mit einem Hauch Melancholie in die Kameralinse von Ruth Orkin. Mit der ersten Einzelausstellung in Deutschland ehrt f³-freiraum für fotografie die amerikanische Fotografin, eine Chronistin der 1940er und 1950er Jahre. Zu sehen sind vor allem neu entdeckte und bislang unveröffentlichte Aufnahmen, aber auch ikonische Werke wie »American Girl in Italy« aus dem Jahr 1951, die zu einem Sinnbild der Frauenbewegung der 1960er und 1970er Jahren wurde. Die Straßenszene zeigt eine junge Frau, die durch ein Spalier pfeifender Männer schreitet. Ruth Orkins Motive waren Frauen im Aufbruch, die begonnen, die ihnen auferlegten Konventionen abzustreifen, ihre eigenen Wege zu gehen, selbstbewusst, stylisch, smart und ihrer Zeit weit voraus.