Spargel und Kaninchen aus Beelitz sowie Havelzander waren die ersten Produkte, mit denen der gelernte Koch Michael Kunzmann gemeinsam mit seinem Stiefvater Horst Bernd Paech zu Beginn der 1990er-Jahre in einer Kühlzelle am Schwielowsee begann, eine Idee zu verwirklichen: frische Produkte aus dem Umland für die Hauptstadt. Ein Projekt mit Substanz. Das Unternehmen wuchs beständig. Schon zur Jahrtausendwende belieferte Havelland Express die gehobene Gastronomie der Region und internationale Spitzen-Hotelketten und eröffnete 2007 das Frische-Logistikzentrum im Süden Berlins als modernstes seiner Art in Europa. Heute reicht das Vollsortiment des Frische-Spezialisten von hochwertigem Fleisch über Fisch, Schalen- und Krustentiere, Obst, Gemüse, Feinkost, Molkereiprodukte bis hin zu Wurst und Schinken. Spargel und Kaninchen aus Beelitz gibt es noch immer, der Zander kommt inzwischen aus der Müritz. Geblieben sind die hohen Qualitätsansprüche und die Frische, deren Attribut „absolut“ von den 50 Mitarbeitern und deren Partnern täglich neu erarbeitet wird. Wie, das erklärt Geschäftsführer Michael Kunzmann.
Ruppiner Weidelamm, Linumer Wiesenkalb, Brandenburger Landente … Können Sie die starke Nachfrage der Gastronomie und Hotellerie nach regionalen Produkten überhaupt befriedigen? Das ist saisonal sehr unterschiedlich. So reicht das Ruppiner Weidelamm zu Ostern nie aus, den Rest des Jahres aber schon. Die Mengen sind oft ein Problem. Regionale Produkte haben bei uns Vorrang, und das nicht nur, weil das der Kerngedanke der Unternehmensgründung war. Auch, weil wir wissen, dass Lebensmittel eine Region prägen und wichtiger Teil der Kultur sind. Dazu kommen kurze Wege und ökologische Vorteile. Wir sind stolz darauf, dass 25 % unserer Produkte aus der Region stammen. Und weil wir jedes Jahr wachsen, wächst dieser Anteil mit.
Kennen Sie alle Ihre regionalen Lieferanten, sprich: die Erzeuger zwischen Müritz und Spreewald? Ja. Wir sehen uns als Mittler zwischen Produzenten (das sind zwischen 50 und 60 in der Region) und Verbrauchern. Dabei spielen wir das Thema Regionalität nicht dogmatisch, denn alles wächst nun mal nicht in Brandenburg. Es geht immer um Qualität und Transparenz der gesamten Nahrungskette.
Was wird gegenwärtig besonders stark nachgefragt? Es gibt sehr unterschiedliche Trends. Da ist beispielsweise die verstärkte Nachfrage nach Urformen von heimischen Gemüsesorten. Und da sind die saisonalen Artikel wie jetzt im Herbst die Brandenburger Landente oder Wild, wenn’s zunehmend kälter wird. Ganzjährige „Leuchtturm-Produkte“ sind das Havelländische Apfelschwein und das Saalower Kräuterschwein. Neu im Programm haben wir ein wunderbares Freiland-Hähnchen aus Sachsen. Nicht zu vergessen: die von uns kreierte Green-Label-Currywurst vom Apfelschwein, die es auf viele Snackkarten der Sterne-Gastronomie geschafft hat. Wir stehen hinter jedem einzelnen unserer Produkte, und alle neuen Erzeugnisse, die ins Sortiment kommen, werden selbstverständlich vorher verkostet. Das garantiert unseren Mitarbeitern – viele davon sind wie ich gelernte Köche – ein sicheres Urteil für ihre Empfehlungen und den Kunden verlässliche Qualität.
Wie viele Kunden profitieren davon? Etwa 1.000 in Deutschland, 150 in Tschechien und 150 in Polen. Berlin ist unser Mittelpunkt, von dem aus wir einen Kreis von rund 300 Kilometern ziehen, in dem wir die Kunden in der Gastronomie und Hotellerie logistisch sinnvoll erreichen. Frische ist ein sensibler Bereich in jeder Phase. Wir sind spezialisiert auf die Ultra-Frische. Ein Beispiel: Unser Mitarbeiter in Frankreich kauft am Morgen bei der Fischauktion in der Bretagne Ware. Die ist um Mitternacht in Berlin und wird am nächsten Tag ab 6 Uhr ausgeliefert. Das funktioniert nur durch top-geschulte Mitarbeiter und ausgefeilte Logistikprozesse. Ich vergleiche das gern mit dem Tankstopp bei der Formel 1 – wir können nur schnell. Das ist eine wichtige Basis für unser stetiges Wachstum. Wachstum braucht Partner. Mit vielen unserer Produzenten arbeiten wir seit Anfang der 1990er-Jahre zusammen. Da ist Vertrauen gewachsen. Als mittelständisches Unternehmen haben wir Partner aus dem Mittelstand – das ermöglicht eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Das betrifft auch die Finanzierung unseres stetigen Wachstums, wobei wir uns schon während der Gründungsphase für die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Berlin-Brandenburg (MBG) entschieden haben. Die MBG war in guten und in schlechten Zeiten für uns da und hat uns zum Bau des Logistikzentrums ermutigt. Da waren wir bei Investitionssummen im siebenstelligen Bereich. Heute ist das die Grundlage für unsere Zukunftsideen: Wir möchten den Verbrauchern gern die ganze Geschichte des Produkts erzählen – vom Ursprung an.
Haben auch Privathaushalte eine Chance, in den Genuss Ihrer hauseigenen Frische zu kommen? Der Anstoß dazu kam von den privaten Verbrauchern selbst, die fragten, wo sie unsere Produkte kaufen können. Da ein stationärer Handel für uns nicht in Frage kam, ist die Online-Markthalle, die wir Filet & Co. nannten, eine ideale Lösung. Die Produkte kommen gekühlt und in unserer hauseigenen Qualität direkt im privaten Haushalt an.
von Brigitte Menge