Alles stand alles still in der Friedrichstraße – der wichtige Straßenabschnitt war für den Autoverkehr gesperrt. Im Rahmen des Verkehrsversuchs „Flaniermeile Friedrichstraße“ wurde die beliebte Straße zwischen Französischer und Leipziger Straße für mehr als zwei Jahre gesperrt – mit fatalen Folgen für Hotels und Gewerbetreibende. Doch ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts hob das Durchfahrverbot wieder auf. Das war vor zwei Jahren – am 25. November 2022 (wir berichteten). Doch wie ist die Situation heute? Ist der Kiez wieder erstarkt? Wie geht es den Gewerbetreibenden?
Gehe ich durch die Straßen, bemerke ich Leerstand. Ich schaue durch die Fenster der Galerie Lafayette und sehe einen komplett leeren Raum. Auch an anderen Ecken sind Geschäfte ausgezogen, Restaurants geschlossen.
Einer, der für die Wiederöffnung der Friedrichstraße kämpfte, ist Robert Rausch, Geschäftsführer des Schokoladenhauses Rausch an der Charlottenstraße 60. „Alles, was geschah, war eine absolute Farce“, erinnert er sich. Er bezeichnet den Fahrplan der Politik rückblickend als „asozial“ und „totalen Murks“ und „ohne ein Konzept“. Das Schokoladenhaus besuchen pro Jahr mehr als eine Million Menschen. Seit der Schließung der Friedrichstraße bemerkte Rausch allerdings negative Veränderungen. Und bis heute, auch nach der Wiederöffnung der Friedrichstraße, habe sich der Kiez nicht erholt: „Leider hat sich die Situation nicht positiv entwickelt. Aktuell stellt die hohe Leerstandsquote ein Problem dar – gefühlt ist jeder zweite Laden leer“, sagt er. Die Aufhebung der Sperrung habe zumindest dazu geführt, dass die Straße wieder etwas belebter sei, was ihr grundsätzlich gut tue. Jedoch blieben die Mietpreise pro Quadratmeter weiterhin „auf einem absurden Niveau“, und die Politik habe bisher keinen Weg gefunden, um zu vermitteln oder Lösungen zu entwickeln. „Wir haben das Glück, dass unser Haus eine hohe Relevanz hat, weshalb unsere Besucherzahlen stabil oder sogar leicht steigend sind. Dennoch bleibt die Gesamtlage angespannt, auch für uns, da die Summe der Probleme – Leerstand, hohe Mieten und die Unsicherheit bei den Planungen – weiterhin spürbar ist“, sagt er.
Im Mitte-Kiez muss dringend etwas geschehen
Auch Anja Schröder schaut sorgenvoll in die Zukunft: Die Inhaberin der Weinhandlung Planet Wein in der Charlottenstraße hatte damals gegen die Sperrung für den Autoverkehr geklagt – und den Prozess gewonnen. Und doch ist nichts wie zuvor. Denn kurz darauf wurde die Charlottenstraße in eine Einbahnstraße mit Radweg umfunktioniert – mit wechselnden Fahrtrichtungen an den Kreuzungen. „Es war ein absolutes Verkehrschaos und auch für die Radfahrer gefährlich, weil Autofahrer sich an jeder Kreuzung neu orientieren mussten“, erinnert sie sich.
2005 hat die gebürtige Rostockerin ihre Weinhandlung an der Charlotten-/Ecke Mohrenstraße eröffnet. Im Sommer sitzen normalerweise viele Kunden draußen an den Tischen. Doch durch den vermehrten Verkehr setzte sich kaum noch jemand.
Auch das sei nun vorbei, aber die Situation im Kiez noch lange nicht zufriedenstellend: „Ein kurzer Spaziergang in der Historischen Mitte zeigt deutlich, dass hier neu gedacht werden muss. Der unsinnige Verkehrsversuch hat der Friedrichstraße nicht gutgetan. Nach der Pandemie hatte diese Straße keine Chance, sich zu erholen. Viele Ladenflächen stehen leer. Mit dem Auszug der Galerie Lafayette sind wir auf einem erneuten Tief in dieser einst sehr beliebten Straße.“, sagt sie frustriert. Die Baustelle verschärfe die Situation: „Der Umbau des Gendarmenmarktes seit zweieinhalb Jahren ist eine enorme Belastung für alle Anrainer, denn nicht nur Lärm und Dreck durch die Bauarbeiten sind ein Problem, sondern auch die Sperrung der Charlotten- und der Markgrafenstraße.“, erklärt sie. Letztere sei seit Baubeginn gesperrt, die Charlottenstraße seit Januar. „Wer mag sich denn draußen an einen Tisch setzten, wenn sich dort ein Bauzaun befindet und dahinter die Bauarbeiten stattfinden?“ fragt sie sich. Und so konnte sie miterleben, wie weitere Läden und Restaurants schließen mussten.
Forderung nach einem Gesamtkonzept für die historische Mitte Berlins
Dass der Gendarmenmarkt immer noch Baustelle ist, ärgert auch Rausch: „Die Wiedereröffnung ist noch nicht erfolgt, obwohl eine Fertigstellung bis Ende des Jahres geplant war. Dabei profitieren hier auch viele von den Besuchern des Weihnachtsmarktes, der nun zum dritten Mal ersatzweise am Bebelplatz stattfindet. Parkverbotsschilder deuten sogar auf eine Verlängerung der Sperrung bis Mitte 2025 hin, ohne dass dazu genauere Informationen vorliegen“, sagt er.
Beide Geschäftstreibenden hoffen, dass nun das versprochene Gesamtkonzept für die historische Mitte erarbeitet wird: „Wir von der Interessengemeinschaft Gendarmenmarkt e.V., und das Aktionsbündnis ‚Rettet die Friedrichstraße‘ haben an der Ausschreibung auf der Berlin.de-Website teilgenommen und Ideen eingereicht. Im Anschluss haben wir im Abgeordnetenhaus mit Lucas Schaal und Dirk Stettner über Ideen der Historischen Mitte gesprochen. Mein Kenntnisstand ist, dass weiterhin geplant wird“, sagt Anja Schröder. Robert Rausch fügt hinzu: „Das Gesamtkonzept, das nach dem Aktionismus rund um die Schließung der Friedrichstraße angekündigt wurde, sollte im Rahmen eines Masterplanverfahrens gemeinsam mit den Anrainern entwickelt werden. Leider wurden wir bisher nicht weiter konsultiert. Mit der zerbrochenen Ampelkoalition scheint der Fokus der Politik momentan woanders zu liegen. Warten wir ab, wie es weitergeht …“