Warum Sicken und alle elektrischen Helfer nicht wirken – über den Verlust der Auto-Leidenschaft. Es gibt Autos, die will ich weder fahren, noch in ihnen mitfahren – insbesondere in verschwurbelten SUVs.
Nun aber ließ es sich kürzlich nicht vermeiden, dass ich im Fond eines „HonMiToSub-CTRVX-irgendetwas“ landete. Schon das Außen-„Design“? mit wirren Anschnitten, Sicken, sich kreuzenden Blechfalzen und -linien, mit Heckleuchten, die wie Warzen aus dem Bleck ragten, stießen mich ab. Und der Innenraum blendete mit Attrappen von Klavierlack, Steppnähten aus Hartplastik; er versuchte, einen Wert vorzuspiegeln, den Menschen bei Sinn und Verstand durchschauen und sich betrogen fühlen. Die Blechberge dieses Ungetüms ohne nennenswerte Glasflächen ließen Sehnsucht nach dem hellen Aufbau meines 82er Audi 100 (C2) aufkommen. Warum passiert ein solch effektheischendes und spätestens auf den zweiten Blick durchschaubar vordergründiges Produkt das Licht der Straße? Ich fürchte, die Antwort führt vom Schrei nach Aufmerksamkeit weiter zum Aufmerksamkeits- bzw. Leidenschaftsmangel für die ganze Spezies Auto.
Wir Babyboomer-Jungs spielten in den Pausen oder auf dem Schulhof Autoquartett – schlugen uns die Kampf-Kriterien „U/Min“ (Umdrehungen pro Minute), km/h, PS, Gewicht, Beschleunigung um die Ohren. Wir spielten „Wer ist schneller?“ oder „Heiße-Räder-Bahn“. Konsequenterweise ging es uns dann darum, möglichst schnell ein eigenes Auto zu haben, oft unsichere „Schleudern“ mit Rest-TÜV. Ich erinnere mich an meine „Sammlung“ und die meines Bruders – den 90-Mark-Taunus, verbrauchte Golf GTI, den rost-zerfressenen Audi 100 GL 5S, vor allem mehrere erschöpfte Käfer. Wir liebten diese Endstadien eines Autolebens und verbrachten Zeit auf den damals zugänglichen Schrottplätzen, um ein besseres Lenkrad, breitere Felgen oder alte Recaro-Sitze dafür aus den Wracks „auszuschlachten“. Doch der Schrottplatz ist ebenso tot wie die Begeisterung einer jungen Generation für Autos; alte „Todes-Schüsseln“ sind schon lange aus dem Straßenbild verschwunden. Während wir früher noch das Letzte aus den Substanzresten rausquetschten, wird heute der vorzeitige künstliche Tod durch Abwrack-Subventionen herbeigeführt.
Autos sind immer perfekter geworden, vom kargen Transportmittel zum üppig ausgestatten mobilen Wohn- und Kommunikationsraum, überladen mit Displays, Massagesitzen und Navigationssystemen.
Produktions-Explosion statt Wartezeiten
Das ist eine Folge der Leistungsfähigkeit der Autoindustrie, die spätestens seit Anfang der 90er-Jahre nicht nur immer schneller mehr Modelle in immer mehr Varianten zugleich angeboten, sondern auch die Modellzyklen verkürzt hat – eine Modellreihe wie der Mercedes SL R 107, der nahezu unverändert 18 Jahre produziert wurde, gibt es nicht mehr. Allein die drei deutschen „Premiumhersteller“ haben seit Anfang der 90er ihre damalige Produktionszahl von ungefähr einer Million Autos mehr als verdoppelt. Ferne Tage, als man vor rund 40 Jahren für die damals neue Mercedes-„Mittelklasse“ W 123 Wartezeiten hatte oder Verträge mit Aufpreis vom Vorbesteller kaufen musste. Heute müssen (!) die Autos in den Markt – mit flexibelsten Finanzierungsmodellen, vor allem als Dienstwagen mit allen steuerlichen Vorteilen. Der Anteil der Flotten und Dienstwagen unter allen Zulassungen liegt deutlich über 50 Prozent, manche Modelle wie vor allem die der oberen Mittelklasse (Audi A6, BMW 5er, Mercedes EKlasse) werden zu weniger als einem Drittel privat erworben. Der Verkaufsdruck quillt aus allen Ritzen.
Der Zauber ist dahin
Selbstverständlicher Komfort, perfektere Funktionen, höhere Verfügbarkeit und vor allem auch umweltpolitische Debatten haben aus dem Leidenschaftsgut eine Funktionsware gemacht. Der Zauber ist dahin, und die Antwort vieler Hersteller hieß und heißt offenkundig, auf die Reizüberflutung mit noch einem Effekt mehr zu antworten – „CRXV-irgendetwas“ eben. Es sei dem Autor gestattet, hier sein Befremden über die unfassbaren Design- Verirrungen – die offenen Schlünder der Autofronten, die Auspuffattrappen, aus denen nicht mal heiße Luft rauskommt, die Blechberge der immer größeren und schwereren Autos, die jeder inneren und äußeren Raum-Ökonomie spotten, kundzutun. Die in den Nachkriegsjahren gebauten Parkhäuser mit ihren Flächen sind zu eng für die mächtigen Auto-Körper des 21. Jahrhunderts. Und die ausgeuferten Karosserien verknappen zusätzlich den engen städtischen Raum.