In unserer Rubrik „Ich bin mal kurz weg“ stellen wir Reiseziele in Europa vor, die schnell erreichbar sind und zwischen Geschichte, Kultur, Natur und Shopping viel zu bieten haben. Diesmal: Riga, gern als die Perle des Baltikums beschrieben.
Dabei trifft es „Perle“ nicht ganz, denn die Schönheit der alten Hansestadt am Ufer der Düna (Dugava) muss niemand mühevoll suchen, sie erschließt sich bereits bei den ersten Schritten durch die Altstadt, die seit über 20 Jahren zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Deshalb sollte am besten das Kennenlernen der lettischen Hauptstadt mit einem Spaziergang durch den historischen Stadtkern beginnen, auf dem zwischen Rathausplatz, idyllischem Stadtkanal und Jakobskirche all die Sehenswürdigkeiten am Wegesrand liegen, die jeder Reiseführer nennt. Wer dies mit Überblick tun möchte, fährt via Lift auf die 72 Meter hohe Aussichtsplattform der Petrikirche. Die Ostsee lässt sich von hier aus erahnen und manchmal bläst hier oben der raue Wind des nahen Meeres. Was man aber genau sieht, ist der Bauch von Riga: die fünf Hallen des Zentralmarktes, auf dem es alles gibt, was der Mensch zum Leben braucht. Feinschmecker geraten vor allem in der Fischhalle ins Schwärmen: Stör, Hering, Lachs, Makrelen … und natürlich Neunaugen – eine lettische Spezialität. Milch und Käse, Obst und Gemüse, Fleisch und Wurst werden an sieben Tagen in der Woche in üppiger Vielfalt offeriert. Das weckt zugleich den Vorgeschmack auf die Küche des Landes, das einst landwirtschaftlich geprägt war. Gegessen wurde herzhaft, bodenständig und schwer, denn die Feldarbeit war hart. Aber auch die vielen verschiedenen Herrscher über das kleine stolze Volk der Letten und die Einwanderer haben ihre Spuren auf den Speiseplänen hinterlassen, so gibt es Wildgerichte aus der deutschen oder Borschtsch und Bliny aus der russischen Küche. Heute verschmelzen in vielen Restaurants in Riga die verschiedenen Einflüsse zu einem einladenden Crossover. Die Speisekarten sind dreisprachig, neben Lettisch sind die Gerichte in Russisch und Englisch ausgewiesen. Diese Sprachen begegnen dem Riga-Touristen auf Schritt und Tritt, die meisten Hauptstädter beherrschen alle drei. Rund ein Drittel der Bevölkerung sind Russen, dazu kommen Weißrussen und Ukrainer. Auf den ersten Touristenblick leben die Menschen harmonisch zusammen. Doch die Narben werden nicht versteckt. Die Stadt hält Spuren der zu Beginn der 1990er-Jahre beendeten Sowjetära wach. Ein Besuch im Museum der Barrikaden in einer Seitenstraße unweit des Doms führt in die dramatischen Januartage 1991, in denen sich der Konflikt zwischen der lettischen Unabhängigkeitsbewegung und den sowjetischen Truppen bedrohlich zuspitzte.
Nach der erkämpften Unabhängigkeit blühte Riga auf. Die meisten der historischen Gebäude sind inzwischen saniert und leuchten in verschiedenen Farben, vor allem die City ist ein architektonisches Stadtmuseum. Riga boomte schon einmal vor 100 Jahren. Ein ganzes Viertel unweit des nördlichen Stadtkanals schoss in dieser Zeit aus dem Boden. Gebaut wurde in feinstem Jugendstil. Rund 800 Gebäude im verschwenderisch- prunkvollem Stil der Belle Époque hat Riga – ein Weltrekord, der Architekturliebhaber aus der ganzen Welt in die lettische Metropole lockt. Baustadtrat in dieser Zeit war der russische Jugendstil- Architekt Michail Eisenstein, Vater des Kinoregisseurs Sergey Eisenstein. In der Alberta iela 12 kann der Besucher eine komplett eingerichtete Jugendstil-Wohnung mit Möbeln, Einrichtungsgegenständen und der Mode dieser Zeit bewundern. Unbedingt einen Blick in das kunstvoll gestaltete Treppenhaus werfen.
Und dann sind da noch die vom Architekten Gunnar Birkerts entworfene Nationalbibliothek mit ihrer markanten Silhouette, die „Freie Republik Miera iela“, das ethnografische Freilichtmuseum, die Moskauer Vorstadt mit den alten Holzhäusern … Ziele für den nächsten Riga-Besuch.
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