Aufgepepptes zum Abgewöhnen

Hoch verarbeitete Lebensmittel und ihre Auswirkungen

Da liegen sie nebeneinander in der Tiefkühltruhe des Supermarkts: Die Kartons und Tüten mit ihren bunten, so schmackhaft aussehenden Produktfotos obenauf. Der Käse auf der dampfenden Salami-Pizza zieht appetitliche Fäden, die Pommes Frites sehen unfassbar knusprig aus mit ihrer intensiven Farbe und den goldgerösteten Rändern. Das grüne Salatblatt und die tiefrote Tomate, die seitlich zwischen den Burger-Brötchen herauslugen, suggerieren gar gesunde Beigaben dieser Mahlzeit. Oh ja, keine Frage, das alles ist sehr verlockend … Aber wie uns auch das Wasser im Mund zusammenlaufen mag, so wissen wir im selben Moment doch gleichermaßen: Gesund sind diese Angebote nicht gerade und sehen meist auch deutlich fader aus als auf der Hochglanzverpackung. Dennoch sind heute mehr als die Hälfte aller Lebensmittel in den Supermarktregalen und -boxen stark verarbeitete Produkte, sogenanntes „ultra-processed food“, in der Fachsprache kurz auch „UPF“ genannt. Warum bloß turnen gerade sie uns immer wieder so an? Um eine Erklärung zu finden, lassen Sie uns doch gemeinsam einmal genauer hinschauen. So können wir unser Bewusstsein schärfen und bestenfalls sogar ungünstige Gewohnheiten schrittweise verändern.

Außen hui, innen leer
Die Industrie profitiert von UPF-Rezepturen, weil sie deutlich billiger sind und eine Verarbeitung im großen, maschinellen Stil durch bestimmte Beigaben überhaupt erst möglich wird. Was den Verbraucher*innen im ersten Moment aber lecker erscheint, entpuppt sich bei näherem Hinschauen ganz schnell als lediglich aufgepeppt, außen hui, innen leer … bis schädlich: als ein Produkt, das durch Bestandteile wie Zucker, Weißmehl, schlechte Fette, Zusatzstoffe und Wasser einiges an Volumen sowie einen intensiveren Geschmack bekommen hat und sich einfach zubereiten lässt. Die negativen Auswirkungen kommen schleichend, was es uns schwermacht, einen direkten Zusammenhang zum eigenen Konsumverhalten herzustellen.

Neue Übersichtsstudie zu UPF
Die neue – und weltweit bisher größte – Übersichtsstudie zum Thema UPF lieferte jüngst eindrucksvolle Ergebnisse hierzu1. Sie basiert auf den Daten von fast 10 Millionen Menschen aus insgesamt 45 Metaanalysen. Die involvierten Expertinnen mehrerer führender Institutionen (darunter die Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in den USA, die University of Sydney und die Sorbonne University in Frankreich) bringen 32 schädliche Effekte mit dem Verzehr von hoch verarbeiteten Produkten in Zusammenhang. Dazu gehören Herz-Kreislauf- und Gehirn-Erkrankungen wie Demenz, außerdem Krebs und Diabetes. Überdies wird untermauert, dass Menschen, die besonderes gern zu Fast Food greifen, häufiger unter psychischen Problemen wie Schlafstörungen und Angstzuständen leiden. In einem Leitartikel zur Untersuchung betonen Wissenschaftlerinnen aus Brasilien deshalb unter anderem: „Es ist jetzt an der Zeit, dass die UN-Organisationen gemeinsam mit den Mitgliedstaaten ein Rahmenübereinkommen über hoch verarbeitete Lebensmittel entwickeln und umsetzen, das dem über Tabak ähnelt.“2

Zusatzrisiko Acrylamid bei Pommes & Co.
Die Vielzahl von Zusatz- und Farbstoffen, Emulgatoren und Aromen sowie ungesunde Fette, zu viel Zucker und Salz machen aus nett verpackten Produkten also richtige Alterungsbeschleuniger. Darüber hinaus können bei der Zubereitung von kohlenhydratreichen Lebensmitteln wie Pommes, Brot und Kartoffelchips durch Erhitzen schädliche Stoffe entstehen – wie Acrylamid. Ein Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestätigt, dass auch diese chemische Verbindung das Krebsrisiko potenziell heraufsetzt. Gerade Kinder nehmen besonders schnell höhere Mengen des Stoffs auf.3

Orientierung per Zutatenliste und NOVA-Klassifikation
Doch wie lassen sich USP am besten und einfachsten vermeiden? Ein wichtiger Helfer bei der Orientierung kann schon die Zutatenliste sein, wie ich Ihnen bereits in der Ausgabe 02/2024 dieses Magazins beschrieb. Eine wichtige Regel diesbezüglich ist zum Beispiel: Wenn dort mehr als drei unverständliche Begriffe auftauchen, lässt man lieber die Finger davon. Dazu gibt es Merksätze wie „Iss nichts, was deine Großmutter nicht als Lebensmittel angesehen hätte“ oder – ganz kurz – „Mehr als zehn [Zutaten] – lass es steh‘n!“. Außerdem bekommen Verbraucher*innen Unterstützung durch die sogenannte NOVA-Klassifikation. Sie teilt Lebensmittel in vier Gruppen ein, sortiert nach Verarbeitungsgrad. Mehr Informationen hierzu finden Sie beispielsweise unter food-detektiv.de.

Kleine Schritte – große Wirkung
Eine gute Zeit für Veränderungen ist übrigens jetzt: Gerade die sommerliche Jahreszeit bietet mit ihren Leckereien von Feld, Baum und Strauch viele Gelegenheiten dazu. Überlegen Sie, an welcher Stelle Ihnen eine Korrektur eingeschliffenen Verhaltens leichtfällt. Starten Sie, indem Sie Ihren Fokus auf die frischen, natürlichen beziehungsweise gering verarbeiteten Produkte lenken und sich von diesen inspirieren lassen. Und vielleicht stecken Sie ja sogar Ihre Mitmenschen damit an; gemeinsam sind manches Gewohnheitstier und mancher Schweinehund leichter zu zähmen

1 publiziert in der medizinisch-wissenschaftlichen Fachzeitschrift „The BMJ“, 2024, www.bmj.com/content/384/bmj-2023-077310
2 www.bmj.com/content/384/bmj.q439
3 www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/acrylamid-problematischer-stoff-in-lebensmitteln-13879

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