Sieht so aus und schmeckt so

Das trockenste Bier der Welt: Bierpulver aus Neuzelle – Foto: Stefan Fritsche

Der kleine verträumte Ort Neuzelle im Osten von Brandenburg hat in jüngster Zeit einen ungewöhnlichen Besucheransturm zu verzeichnen. Ein Grund könnte die kleine Sensation Bierpulver aus der Klosterbrauerei sein.

Neuzelle ist zwar schon lange ein touristischer Anziehungspunkt durch das im 13. Jahrhundert gegründete Kloster-Ensemble mit dem mittelalterlichen Stiftsgebäude, der prunkvollen Barock-Kirche und dem eindrucksvollen Klostergarten, doch nun geben sich Journalisten, Brauereivertreter und Biertrinker aus aller Welt in der benachbarten Klosterbrauerei die Klinke in die Hand. Denn hier hat sich eine Revolution angebahnt, die sich inzwischen weltweit herumgesprochen hat. Die Klosterbrauerei ist der Geburtsort, um aus einem Pulver mit Wasser aufgegossen gut schmeckendes Bier herzustellen, sozusagen das trockenste Bier weltweit. Die Klosterbrauerei Neuzelle schaffte es schon einmal über mehrere Jahre allerdings ungewollt in die Schlagzeilen. Die Geschäftsführer der Klosterbrauerei, Vater Helmut und Sohn Stefan Fritsche, mussten sich der bürokratischen Übergriffe von Beamten der Landesregierung Brandenburg erwehren. Der Streitpunkt war ihr gebrautes Schwarzbier „Schwarzer Abt“ mit einem Zuckerzusatz. Es sollte nicht mehr den Namen Bier tragen dürfen, weil es angeblich gegen Regeln der Bierherstellung verstoße und den Verbraucher täusche. Doch die Unternehmer Fritsche ließen sich nicht so einfach einschüchtern. Sie zogen schließlich vor das Oberste Verwaltungsgericht in Leipzig und Stefan Fritsche kann sich noch gut an den Richterspruch aus höchster Instanz zu ihrem Schwarzbier erinnern, gerichtet an das Brandenburger Ministerium: „Es sieht aus wie Bier, schmeckt wie Bier, riecht wie Bier, wirkt wie Bier…Wenn das jetzt nicht Bier heißen würde, wäre es doch eine viel größere Täuschung des Verbrauchers.“ Eine Brauerei muss das machen dürfen, was in einem gesetzlichen Rahmen möglich ist, der Staat kann keine Rezepturvorschläge machen, so der endgültige richterliche Bescheid. Das Schwarzbier aus der Klosterbrauerei heißt weiterhin Schwarzbier.

Geschäftsführer Stefan Fritsche mit dem Bierpulver aus Neuzelle – Foto: Stefan Fritsche

Neben dieser Absegnung des Schwarzbieres vor dem Bundesverwaltungsgericht holte dann Stefan Fritsche mit seinen pfiffigen Mitarbeitern auch tatsächlich den Segen für eine Flasche „Schwarzer Abt“ vom Papst in Rom ein. Ein Team der Klosterbrauerei nahm am 14. Mai 2014 an der Generalaudienz auf dem Petersplatz teil. Die gesegnete Flasche hängt beim Brauen immer über dem aktuellen Sud und wird auch täglich „eingetunkt“.

Auch Dank der Segnungen hat sich die Klosterbrauerei gut entwickelt. „Etwa 90 Prozent unserer Produkte entsprechen nicht dem Reinheitsgebot“, so Stefan Fritsche. Die Produkt-Palette ist gewachsen und zeigt kreatives Herangehen, ob bei Kirsch-, Spargel-, Apfel- oder sogar Bade-Bier. „Viele haben unser Projekt kritisch gesehen, wir waren für sie die Bierpanscher, die mit dem Bier Schindluder betreiben. Doch mittlerweile werden wir immer öfter auch von den deutschen Kollegen besucht und hin und wieder sogar kopiert“. 42 Sorten gibt es heute und jede zehnte Flasche aus Neuzelle geht in den Export in alle Welt.

Wer so kreativ eine Brauerei führt, über einen starken Willen verfügt und innovativ agiert, der schafft es auch, mit einem Produkt disruptiv zu sein, also den Markt sinnbildlich auf den Kopf zu stellen. Der Bierexport der Brauerei nach Asien und die USA erforderte schwere Container für Flaschen und Kästen, die Übersee-Container können außerdem nicht vollgepackt werden. „Da kann man schon mal auf die Idee kommen, vielleicht Bier in Pulverform zu produzieren, das dann erst am Zielort mit Wasser aufgefüllt wird“, erklärt Stefan Fritsche. Viele altgediente Brauer meinten sofort, das funktioniere nicht, das könne man nicht machen. „Aber ich bin kein Braumeister, sondern Unternehmer und überlegte – vielleicht geht es doch…“ Der Zeitpunkt war das für viele Betriebe schwierige Jahr 2022, als die Corona-Maßnahmen herrschten und als die Betriebskosten für Energie zu explodieren drohten. Forschungsgelder von 300.000 Euro vom Land Brandenburg gaben dann den Bierbrauern in Neuzelle Rückenwind, um das erste Bierpulver zu entwickeln.

„Im Februar 2023 war die erste Charge des Bierpulvers fertig und wir stellten unser Ergebnis im März in Berlin einigen Pressevertretern vor. Das Pulver im Wasser verrührt sah aus wie Bier, hatte Schaum, schmeckte wie Bier, allerdings alkoholfrei“, erinnerte sich Stefan Fritsche. Das war der Startschuss für die Medien aus allen Kontinenten. Brauer Fritsche wurde vom Medien-Unternehmen Daily Mail nach London eingeladen. Die Briten vergleichen das Bierpulver-Bier mit dem britischen Ale und fanden sogar, es schmecke besser als ihr Bier vor Ort.

Viel Rückenwind gab es für das Projekt auch durch die gute Öko-Bilanz der Bierpulver-Produktion: Einsparungen bei Energie, Wasser, kein Glas für Flaschen und keine Plastik für Bierkästen. Ein passender Wunsch-Investor hat sich zwar noch nicht gefunden, aber nun startet die Klosterbrauerei selbst die Produktion in kleinen Schritten. Bereits hunderte Kunden aus allen Ländern weltweit haben Interesse angemeldet. Die ersten Chargen Bierpulver sind in drei Ländern Europas produziert und wurden bereits ausgeliefert. „Das Bierpulver macht der eigenen Bier-Produktion von Neuzeller Klosterbräu keine Konkurrenz“, ist sich Stefan Fritsche sicher. Aber es schafft die Möglichkeit für eigene Kreationen, ohne Braumeister zu sein – gerade weltweit, zum Beispiel mit besonders sauberem Wasser aus Grönland oder im Himalaya sogar noch schmackhafter. Der Anfang ist gemacht, den internationalen Biermarkt aufzumischen.

Besucher von Neuzelle können ihre Besichtigung der Klosteranlage mit einem kleinen Rundgang durch die klösterlichen Gemäuer der Brauerei fortsetzen – täglich ab 13 Uhr auch ohne Anmeldung. Der Besucher läuft auf knarzenden Holzdielen, riecht das Bier und ihm wird eine einhundertjährige Malzmühle mit Transmissionsriemen als Antrieb präsentiert. Im Klosterladen sind alle Sorten Bier und Limonade aus der Klosterbrauerei vertreten – das Bier Pulver ist sicher auch bald im Angebot.

www.klosterbrauerei.com

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