Kulturelle Bildung im Fokus

Sandra Maischberger (in der Mitte vorne) und ihre Mitstreiter*innen feierten im vergangenen Jahr im Potsdamer Alexander-Haus das 15-jährige Bestehen des Vereins „Vincentino e. V. – Kultur stärkt Kinder in Berlin“ Foto: Vincentino e. V.

2008 gründete die bekannte Journalistin und TV-Moderatorin Sandra Maischberger den Verein Vincentino. Wir sprachen mit der Gründerin über das Jubiläum des Vereins, die LöwenHerzGala,
ihre Motivation, Herzensprojekte und über ihre Pläne für die Zukunft.

Frau Maischberger, bevor wir zum jetzt und bald kommen, gehen wir ins Jahr 2008. Damals gründeten Sie den Verein. Wie kam es dazu? Und woher kommt eigentlich der Name Vincentino – hat er eine besondere Bedeutung?
Ich selbst bin mit viel Kultur und Musik aufgewachsen und finde, dies sollte jedem Kind zustehen, egal wie die Umstände sind, in denen es aufwächst. Da ich familiär, privat wie beruflich viel Glück erlebe, war es mir ein Bedürfnis, etwas zurückzugeben und zu teilen. Daraus ist die Idee entstanden, zusammen mit Mitstreiter*innen aus meinem Umfeld einen eigenen Verein zu gründen. Woher der Name kommt, das ist einfach: Meine Produktionsfirma heißt Vincent productions, inspiriert von Vincent van Gogh. Und Vincentino, das steht für die jungen Menschen, die nächste Generation, für die wir uns stark machen wollen.

Foto: www.peterrigaud.com

Seitdem konnten Sie einen großen Beitrag dazu leisten, dass Kinder in Berlin, die sonst keinen Zugang und keine Möglichkeit gehabt hätten, durch Vincentino an Kunst, Musik und Medien herangeführt werden. Was hat es zum Beispiel mit der Musikwerkstatt auf sich?
Von Anfang an hat Vincentino auf Musik gesetzt. In den Musikwerkstätten, die wir zurzeit an fünf Schulen über ganze Schuljahre hinweg umsetzen, lernen die Schülerinnen auf Augenhöhe mit Profi-Musikerinnen Musik zu machen – ohne Noten, direkt an Perkussion-Instrumenten. Die Zielsetzung ist, mindestens zwei Songs im Jahr im Ensemble spielen zu können. Dabei wechseln die Kinder auch die Instrumente durch und lernen einzuzählen, also den Beginn eines Stücks vorzugeben, oder sich auch für den Auf- und Abbau der Instrumente verantwortlich zu fühlen. Das soziale Miteinander ist für uns dabei ebenso wichtig, wie die Möglichkeit, dass die Kinder schnell erfahren, wie sie durch Musik selbst wirksam werden. Daher unterstützen wir die Schulen bei Ideen wie der „Bewegten Pause“, in denen unsere Kids aus den Musikwerkstätten musizierend im Pausenhof zu erleben sind.

Und was ist die Instrumentenbauwerkstatt?
Unsere DIY-Projekte sind an der Schnittstelle zwischen unseren Medienprojekten und den Musikwerkstätten entstanden. Zum einen, weil es uns wichtig erscheint, digitales und handwerkliches Arbeiten zusammen zu ermöglichen. Zum anderen, weil es natürlich immer mal ein paar Kinder gibt, für die selbst Musik machen einfach nichts ist, die aber Fähigkeiten haben zu gestalten oder Tutorials über den Bau der Instrumente zu drehen. Zudem haben wir in Matthias Schellenberger einfach einen genialen Medienwerkstattleiter, der vor kreativen Ideen nur so sprüht.

Vincentino bietet auch Projektwochen und Reihen mit dem Fokus auf junges jüdisches Leben in Berlin und einen jüdisch-muslimischen Dialog. Vor dem Hintergrund der jüngsten politischen Ereignisse erscheint das besonders wichtig, aber ist auch bestimmt nicht einfach. Wie nimmt sich der Verein dieses heiklen Themas genau an?
Unsere Programmleiterin Ulla Giesler hat diese Reihe schon 2020 initiiert. Das war sogar schon vor dem Festjahr „2021 – 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, in dem wir dann sehr viele Projekte zu diesem Thema erfolgreich umgesetzt haben und auch Preise dafür bekamen. Unsere Projektwochen zeigten, dass das Wissen der Schülerinnen zum jüdischen Leben gegen Null geht, sie keinerlei Kontakte haben. Wir lernten aber auch, dass sie weniger Vorurteile haben als ihnen oftmals unterstellt wird. Heute nach dem Attentat ist es etwas anders, die Stimmung in Neukölln und Kreuzberg, allgemein in der Stadt, ist aufgeheizt und das geht natürlich an den Schülerinnen nicht vorbei. Doch auch hier sind wir froh, die Schulen mit Projektreihen zum jüdisch-muslimisch (oder arabischen) Dialog unterstützen zu können.

Worum geht es in dem Dialog?
Die Idee dabei ist, Kulturschaffende aus allen Sparten in Zweier-Teams in unsere Workshops einzuladen, wie zum Beispiel einen jungen palästinensischen Schauspieler zusammen mit einem jüdischen Deutschen. Oder Musikerinnen, die aus Israel, Syrien, Palästina, Iran kommen und gemeinsam mit den Schülerinnen musizieren. Wir freuen uns, hier sogar mit der Barenboim Said Akademie kooperieren zu können. Die Schülerinnen aus Neukölln waren beeindruckt vom Konzert im Pierre-Boulez-Saal und dem Treffen mit den Musikstudentinnen.

Im Schuljahr 2023/24 engagiert sich der Verein an Schulen in Neukölln, Kreuzberg, Pankow und neu in Spandau mit Musik- und Medienprojekten, um Kindern und Jugendlichen. Sind weitere Vorhaben für 2024 geplant?
Neben unseren Musik- und Medienwerkstattprogrammen wird daran getüftelt, ob wir ein Programm starten, in dem Kunst zur Konfliktlösung dienen kann. Mal schauen, wie schnell wir sind, ob das noch in 2024 geschehen kann.

Die Erlöse der heutigen Auktion gehen zur Hälfte an Ihren Verein. Wissen Sie schon, welches Projekt damit konkret unterstützt wird?
Auch in der kulturellen Bildung ist der Fachkräftemangel schon zu spüren und unsere Dozentinnen sind unser größtes Gut. Es sind alles tolle Musikerinnen, Künstler*innen, Kreative, die neben großem Engagement ein großes Herz mitbringen für die Kinder, die oft viele Nöte haben. Daher setzen wir uns dafür ein, dass sie geschult werden, um den riesigen Herausforderungen, die heute an den Schulen herrschen, standzuhalten. Zudem übernimmt der Verein immer mehr Koordinierungsaufgaben an den Schulen, um die zusätzlichen Projekte, die heute immer öfters im offenen Ganztagsunterricht stattfinden, sinnvoll einzubetten und die Schulen zu entlasten. Das bedeutet für uns, ein wenig wegzukommen von der Projektitis, wo nach relativ kurzer Zeit wieder Schluss ist, sondern dafür zu sorgen, dass die Programme längerfristig Bestand haben. Dafür braucht es mehr Mittel. Uns freut es besonders, wenn zum Beispiel kurz vor dem letzten Vincentino-Team-Tag Anfragen von den Schulen kamen, ob die begleitenden Erzieher auch teilnehmen dürfen. Dann wissen wir, wir machen einiges richtig.

Bei Vincentino geht es um kulturelle Bildung. Haben Sie dazu eine besondere Beziehung – vielleicht sogar schon seit Ihrer Kindheit?
Mein Vater saß viel und gerne am Flügel oder an der Orgel, mein Bruder spielte ganz hervorragend Klavier und war im Schulorchester am Kontrabass – bei uns zu Hause war eigentlich immer Musik. Ich selbst habe Querflöte gespielt, war auch im Schulorchester, davor schon im Kinderchor. Außerdem bei der Schülerzeitung und in der Theatergruppe – also, ich habe das volle Programm genießen dürfen. Zur Musikerin oder Schauspielerin hat es dann nicht gereicht, dafür bin ich heute in meinem Beruf als Journalistin sehr glücklich. Diese Breite an Angeboten sollte doch wenn möglich alle Kinder erreichen.

Sie sind die Gründerin, Initiatorin und das Gesicht von Vincentino. Aber allein auf weiter Flur sind Sie glücklicherweise nicht. Wer unterstützt Sie bei dieser wichtigen Arbeit?
Neben den Dozent*innen, die ich schon angesprochen habe, braucht es natürlich immer Enthusiasten, die mit an Bord sind. Wir schätzen uns glücklich, dass das auch unsere Mitglieder so sehen. So stemmt Zeev Rosenberg für uns schon seit einigen Jahren ein Minigolf-Turnier zugunsten von Vincentino und auch die Profi-Golfer haben uns seit Kurzem entdeckt, wie auch der Lions Club Berlin, der die LöwenHerzGala erfunden hat und zum 3. Mal ausrichtet. Das alles ist unbezahlbar und wir danken von Herzen. Besonders hervorheben möchte ich auch Ulla Giesler, unsere Programmleiterin. Ohne sie gäbe es Vincentino gar nicht.

Wie können andere Interessierte Sie unterstützen?
Spenden darf natürlich jeder sehr gerne, um noch mehr kulturelle Bildungsangebote an den Schulen zu ermöglichen. Wenn es um konkrete Angebote oder Anfragen im Rahmen unserer Programme geht, ist Ulla Giesler, unsere Programmleitung, die richtige Ansprechpartnerin.

www.vincentino.org

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