Eine geheime Männersache

Foto: Klaus Kronewitz

Allein in Deutschland erkranken mehr als 65.000 Männer jährlich neu an Prostatakrebs und zirka 15.000 Männer sterben daran – Jahr für Jahr. Dabei stehen die die Heilungs-Aussichten gar nicht schlecht bei zeitiger Diagnose. Schließlich zählt Prostatakrebs zu den am langsamsten wachsenden Tumoren. Doch selbst bei fortgeschrittener Erkrankung gibt es aussichtsreiche Behandlungen mit Hormonen, Bestrahlung und Chemotherapie. Hauptproblem ist allerdings, dass viele Männer aus Scham vor der Untersuchung oder Angst vor einer möglichen Krebsdiagnose ihre Augen verschließen. 

Im Vergleich: Mehr als zwei Drittel aller Frauen gehen zur Vorsorge. Von den Männern nur ein Drittel. Hier besteht noch sehr viel Aufklärungsbedarf. Und genau dort setzt z. B. die Prostata Selbsthilfe Gruppe (SHG) Nord an. Doch was heißt das konkret? Eine Krebs-Diagnose löst in der Regel große Verunsicherung bei den Betroffenen aus. Leider haben die behandelnden Ärzte oft zu wenig Zeit, alle Fragen zu beantworten und Zweifel zu zerstreuen, denen man sich als Neupatient sowie auch später gegenübersieht. Deshalb belassen es die Selbsthelfer nicht nur bei Erst-Informationen. Außerdem haben sie Betroffene aus allen Krankheitsstadien mit dabei. Manche befinden sich in aktiver Überwachung, bei anderen wurde die Prostata operativ entfernt und wieder andere werden mit Hormonen oder Chemotherapie behandelt oder bestrahlt. 

Aber wie läuft ein Treffen konkret ab? Zu Beginn werden die „Neuen“ begrüßt. Wer will, kann über den aktuellen Stand seiner Erkrankung berichten. Dann die Frage nach akuten Problemen. Anschließend folgt entweder ein Erfahrungsaustausch aller Mitglieder oder ein Fachvortrag über Diagnose, OP-Methoden, Bestrahlung, Chemotherapie und vieles mehr. Darüber hinaus besuchen sie regelmäßig Krankenhäuser, Reha-Kliniken oder auch mal das Diagnostische Therapeutische Zentrum für Strahlentherapie am Frankfurter Tor. Dr. med. Jürgen Kirschbaum, der Geschäftsführende Direktor der Vivantes Region Nord (Vivantes Klinikum Spandau und Humboldt-Klinikum) resümiert: „Wir freuen uns sehr über die langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der SHG Prostatakrebs Berlin-Nord und unserer Klinik für Urologie. Unser standortübergreifendes Prostatazentrum und die Urologie insgesamt werden in diesem Jahr durch ein neues Führungsduo mit Professor Laura-Maria Krabbe und Dr. Hendrik Isbarn gestärkt, mit denen wir unseren engen Austausch mit der SHG fortsetzen.“ Derlei wohl durchdachte Herangehensweise der Helfer kommt nicht von ungefähr: Die SHG Nord ist eingebunden in den Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe, der deutschlandweit aus rund 200 Gruppen besteht und selbst unter Schirmherrschaft der Deutschen Krebshilfe steht. So kommen die SHG-Leiter in den Genuss professioneller Schulungen zur Gruppenführung und zur Erlangung von Kooperations-Vereinbarungen an. 

Foto: akakom Berlin / H. Dudel

Undenkbar wäre die Nordberliner Unterstützungsgruppe allerdings ohne ihren Gründer und Dauer-Aktivisten Klaus Kronewitz. Er war seit Ende 2015 Mitglied in der Selbsthilfegruppe Berlin Mitte. Da diese SHG sehr viele Mitglieder hatte, kam ihm der Erfahrungsaustausch einfach zu kurz. Außerdem war der Fahrtweg zu lang. Als ihn Mitglieder fragten, ob er nicht eine eigene SHG im Norden gründen will, was er nach entsprechenden Basiswissen-Schulungen des Bundesverbands Prostatakrebs Selbsthilfe e.V. auch Ende 2019 umgesetzt hat. Sein dringliches Anliegen ist es, dass Männer rechtzeitig und regelmäßig zur urologischen Vorsorgeuntersuchung gehen und auch ihren PSA-Wert (Prostataspezifisches Antigen) ermitteln lassen. An mittel- und langfristigen Zielsetzungen sollten alle noch viel mehr Öffentlichkeitsarbeit machen und „Angsthasen“ überzeugen, zur Vorsorge zu gehen. So werden künftig auch Kanäle wie Instagram und TikTok bespielt, um auch dort die jüngeren User zu motivieren, ihre Väter, Großväter, Onkel und Verwandte an die Vorsorge zu erinnern.

Kronewitz jedenfalls freut sich, wenn er Anderen weiterhelfen kann, so wie ihm damals geholfen wurde. Und davon kann es für ihn nie genug Gelegenheiten geben – z. B.  bei trügerischen Sicherheiten. Denn in den meisten Fällen – und genau das ist die Krux – leiden Männer unter gar keinen Beschwerden. Manchmal gibt es eine Vergrößerung der Prostata, die aber auch gutartig sein kann. Dann wird der Druck auf die Blase stärker und man muss öfter zur Toilette. Hier kann aber auch eine eher harmlose Prostatitis vorliegen, die mit Antibiotika behandelt werden kann. Auch sollten Betroffene aufmerken, wenn der Urinstrahl nicht mehr so stark ist und es nur noch tröpfelt oder es beim Wasserlassen brennt. Gefahr im Verzug ist immer dann, wenn Blut im Urin ist. Dann muss Mann unbedingt sofort zum Arzt. „Die PSA-Wert-Bestimmung muss schnellstmöglich eine Kassenleistung werden. Heute muss man als IGEL-Leistung rund 30 Euro dafür bezahlen. Außerdem müssen die Gesundheitsämter unbedingt verpflichtet werden, alle Männer über 45 jährliche Einladungen zur urologischen Vorsorgeuntersuchung zu schicken – analog der Mammographie bei Frauen. Zudem sollte die Forschung in Zukunft noch bessere und aussagekräftige Diagnosemethoden sowie personalisierte Medizin voranbringen“, wünscht sich Klaus Kronewitz.

www.prostatakrebs-selbsthilfegruppe-berlin.de
www.prostatakrebs-bps.de
www.berlin-dtz.de
www.vivantes.de/humboldt-klinikum

Secured By miniOrange