Auf ein Staycation in Friedrichshain

Ein Glas Staycation reicht Timo Thoennißen zum Gespräch. Der Name ist eine Wortschöpfung aus „stay“ (bleiben) und „vacation“ (Urlaub). Sein Aroma erinnert an Piña Colada. Gebraut wurde es aus amerikanischem Sabrohopfen mit Zitrus- und Tropenfrucht in der eigenen Brauerei in Marzahn. Bis vor kurzem stand die Brauanlage, typisch für ein „Brew Pub“, direkt in der Bar.  

Die beliebtesten Getränke?

Das klassische „Stralauer Blond“ verkauft sich am besten. Danach kommt in der Beliebtheitsskala ein deutsches Pale Ale namens „Sonnenallee“, und auf Platz drei folgt das India Pale Ale „Hitchhikers“. Besonderheiten bei den Getränken? Vom fassgereiften wilden Sauerbier bis zum „Brainbow“, einem Hazy Double IPA, gibt’s eine riesige Bier-Vielfalt. Hunderte Rezepte wurden bereits ausprobiert, bei 200 bis 300 Litern pro Sud geht das. Sechs Standardbiere werden immer angeboten, der Rest rotiert. Rund 140.000 Liter selbst gebrautes Bier werden pro Jahr ausgeschenkt. 

Das günstigste und das teuerste Getränk?

Mineralwasser gibt’s für 2,30 Euro (0,3 l), doch wer möchte hier kein frisch gezapftes Bier? Das teuerste mit 6 Euro (0,2 l) heißt Alptraum. Das ist ein dunkles, kräftiges Imperial Stout, das erstmals 2015 hier gebraut wurde. Es reift in Holzfässern, die vom Vater des Braumeisters, einem Winzer im Tessin, stammen. 

Was zu essen?

Vietnamesische Burger, mexikanische Burritos oder was anderes? Kann man mitbringen oder in einem der umliegenden Lokale bestellen. Speisekarten gibt’s in der Bar, die wie ein Wohnzimmer für die Gäste sein soll. 

Timo Thoennißen | Fotos: RandomImages

Betreiber?

Timo Thoennißen aus Aachen ist Jahrgang 1987. Er hat Finanzwesen studiert, seinen Masterabschluss in Australien gemacht und in der Schweizer Finanzbranche gearbeitet. Weil er Berlin „viel cooler fand“ als Zürich, nahm er hier einen Job an. Sein Interesse an Bier, besonders an Craft Bier aus den USA, keimte bereits 2011 in Australien auf. Der Wunsch nach einer eigenen Bar kam auf, als er in der Schweiz nebenbei in der Gastronomie arbeitete. Nur eine Bar? Timo dachte größer. 2013 begann er selbst mit dem Bierbrauen und eröffnete 2015 in Friedrichshain seine Bar mit eigener integrierter Brauerei. 2021 ist das Jahr der Vergrößerung: die 1.000-Liter-Brauanlage zog in die denkmalgeschützte Alte Börse nach Marzahn um. Jetzt besitzt er Bar und Brauerei. 

Einrichtung und Konzept?

Ankommen und wohlfühlen: Gemütlich soll es sein. Warmes Licht, viel Holz und Backsteinwände gibt es. Lange Tische mit vielen Hockern, an denen man gut mit noch unbekannten Nachbarn ins Gespräch kommen kann. In dem ehemaligen Lagerraum wurde alles neu gemacht. Die Kombination „Brauerei mit Bar“ war für die Banken nichts. Sie rieten ab, weil ihrer Meinung nach zu einem klassischen Brauhaus auch zünftiges Wirtshausessen wie Haxn gehört. Timo wagte sich trotzdem an die Finanzierung und die Unternehmung gelang. Diesen Sommer wurde gewerkelt und Künstler gestalteten Wände neu. Weil die Nachfrage so groß und das Lokal zu klein war, wurde die Brauanlage ausgelagert, so dass es in der Bar nun viel mehr Platz für Gäste gibt. Drinnen sind es etwa 70, draußen 90 Sitzplätze.

Veranstaltungen?

Es gibt regelmäßig Bierverkostungen und Braukurse. Außerdem gibt es Kooperationen mit anderen Brauereien. Da wird gemeinsam gebraut, und bei einem „tap take over“ übernehmen andere die Zapfhähne und bringen ihre Fans mit. 

Musik?

Musik zum Wohlfühlen. Von Rock und Pop-Werken der 70er Jahre bis hin zu Metal-Musik, weil eine Barmanagerin auch das „Berlin Deathfest“ organisiert. Timo lacht und erklärt, dass die Musik eine bunte Mischung ist. Auch Irish Folk und deutsche Musik sind dabei, je nach Musikgeschmack des Personals. 

Kundschaft?

Die quirlige Neue Bahnhofstraße sorgt für ein vielfältiges Publikum. Den typischen Gast beschreibt Timo als 35-jährigen Friedrichshainer, der bei einem Start-Up-Unternehmen in der IT-Branche arbeitet, verheiratet ist und ein Kind hat. Es kommen viele Männer. Interessanterweise sind sie beim Bier preisbewusster als Frauen, die – wenn sie ausgehen – das Bier eher mit einem Wein oder Cocktail und nicht mit den Bierpreisen anderswo vergleichen. 

Zukunft?

Straßenbräu soll eine deutschlandweit bekannte Berliner Biermarke werden. Das Beliefern von Biergärten wie BRLO im Gleisdreieckpark möchte Timo weiter ausbauen. In den Lockdown-Monaten wurde noch mehr Fassbier als sonst für die Kundschaft in Glasflaschen (Crowler) zum Transport nach Hause abgefüllt. Aktuell werden außerdem coole Bierdosen für den Außer-Haus-Verkauf designt. Eine Dosenabfüllanlage sei platzsparend, berichtet Timo. Und das Tagesgeschäft mit Kaffee von Andraschko soll angekurbelt werden. 

Geöffnet? Täglich ab 12 Uhr. Normal geht es bis Mitternacht oder 1 Uhr, am Wochenende manchmal auch bis 3 Uhr.

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