Ein Vollbluttheatermann ist Jürgen Thormann. Erst kürzlich stand er im Theater am Kurfürstendamm in dem Stück „Jacobowsky und der Oberst“ auf der Bühne. Dass er auch die deutsche Stimme unzähliger „Herren“, wie zum Beispiel Michael Caine und Peter O’Toole, ist, hängt er nicht gern an die große Glocke. Schon gar nicht seine Auftritte in der Werbung. „Der Joghurt mit der Ecke …“ – das war seine Stimme eine Zeit lang.
Solange Jürgen Thormann aber festes Mitglied der Berliner Staatstheaters war, hat er auf lukrative Werbeaufträge verzichtet. Das waren mehr als drei Jahrzehnte, bis zur Schließung des Schillertheaters Anfang der 90er-Jahre. Damals hat ihn das hart getroffen. „Das war unmittelbar nach der Schließung ein heftiger Schmerz. Es ging sogar so weit, dass ich gar nicht da vorbeifahren wollte. Ich mochte das Theater nicht von außen leer und tot ansehen müssen. Das hat sich erledigt. Heute ist es für mich ein Gebäude wie jedes andere auch. Und ich habe den Schmerz hinter mir gelassen.“
Und auch viele der ehemaligen Kolleginnen und Kollegen sind nicht mehr da. Unter dem großen Theatermann Fritz Kortner spielte Thormann z. B. den Cäsar in Shakespeares „Antonius und Cleopatra“. Obwohl das schon lange her ist, strahlt die Begegnung mit Kortner noch in sein heutiges Leben.
„Weil ich von Kortner unendlich viel gelernt habe und er eigentlich heute noch so einen Gradmesser für Gut und Böse darstellt. Ich frage mich in manchen Situationen als Schauspieler: Was hätte wohl der alte Mann damals gesagt, wenn du dies oder jenes so oder so gemacht hättest? Das hilft mir in manchen Situationen – so unerfreulich die Arbeit manchmal mit ihm war, weil er ja wirklich kein Zeitgenosse war, der von großer Liebenswürdigkeit auf den Proben strotzte. Aber man merkte ganz genau, wenn er etwas anerkannte, es gut fand, dann kam er, guckte einem in die Augen, und man wusste Bescheid …
Als das Schillertheater zugemacht hatte, hatte ich erst mal nicht daran gedacht, jemals wieder Theater zu spielen. Sondern ich habe Regie geführt, Rundfunk gesprochen – dass ich wieder auf einer Bühne stehen würde, hatte ich mir nicht vorgestellt.“
2001 stand Jürgen Thormann dann aber doch in Berlin in der Boulevard-Komödie „Was zählt, ist die Familie“ unter der Regie von Wolfgang Spier auf der Bühne. Ist das nicht ein Widerspruch, als ehemaliger Schillertheater-Schauspieler in eher klassischen Werken ein Boulevardstück zu spielen? Das verneinte er damals.
„Was wir hier spielen, ist nicht irgendein Stück, es ist gut geschriebenes Boulevard-Theater mit wunderbaren Rollen, nicht nur meine, auch die anderen Rollen sind wunderbar. Ich wende das erlernte Handwerk an, arbeite mit erstklassigen Kollegen, habe einen wunderbaren Regisseur gehabt – das alles ist Theater. Wir haben übrigens am Schiller- und Schlosspark- Theater auch sogenannten Boulevard gespielt, z. B. über drei Jahre ‚Normans Eroberungen‘ von Ayckborne, ein wunderbar gebautes Lustspiel.“
Obwohl Jürgen Thormann seine Identität aus der Theaterarbeit bezieht, „verleiht“ er seit Jahren seine unverwechselbare Stimme mit den leicht selbstironischen Tönen: Er ist der feste Sprecher von Michael Caine.
„Leicht gefallen ist mir Peter O’Toole zu synchronisieren. Der ist ja eher ein Abenteurer.“
„Den habe ich anlässlich eines Empfanges persönlich kennengelernt, ein ausgesprochen liebenswerter und höflicher Mensch. Er spricht so eine Art „Vorstadt-Englisch“ – nicht ganz so elegant, aber liebenswert. Er ist im Laufe der Jahre perfekt geworden, man merkt beim ersten Augenblick, ob es ein guter Film ist.“
Leicht gefallen ist mir Peter O’Toole zu synchronisieren. Der ist ja eher ein Abenteurer. Er spielte so ähnlich wie ich – ein Schauspieler, der mir sehr entgegenkam. An seine erste Synchronrolle denkt er noch schmunzelnd zurück.
„Das war Mitte der 50er-Jahre, ich war damals in Bonn am Theater, und der Sender, wo das gemacht wurde, hieß Remagen. Meine allererste Synchronrolle war ein Flößer – diese Flößer, 30 Stück, die riefen im Chor „Heyo, heyo“, davon war ich der siebente. Ich kann mich noch genau erinnern, dass ich bis heute nicht weiß, auf welchen der Flößer ich mein „Heyo“ gerufen habe.“ Sagt’s und klingt dabei einen Augenblick wie der „Rosarote Panther“ aus der ehemaligen Telekom- Werbung …
„Das war keine große künstlerische Herausforderung, die Aufnahme ging schnell, der Bekanntheitsgrad war aber enorm.“
Dass die deutschen Sprecher im Abspann eines Kinofilmes selten genannt werden, das ist ihm nicht so wichtig, sagt er, „wenn die Arbeit getan ist, ist die Sache für mich erledigt.“ Früher standen die Synchronsprecher zu dritt oder viert vor dem Mikrofon, eine Art Klassentreffen.
Heute, im digitalen Zeitalter, ist das eher eine einsame Sache: Man steht allein im Studio, hinterher wird alles zusammengemischt.
Ein wenig stolz ist er auf seine 20-jährige Sprechertätigkeit für den „Ohrenbär“, die Gute-Nacht-Geschichte beim rbb. Diese liest er manchmal eine ganze Woche lang vor.