Schriftstellerin Corina Bomann über Schreiben und Lesen
In dem Café in Zehlendorf, in dem wir uns zum Interview treffen, schreibt sie nicht. Hier sammelt sie Ideen und Inspirationen. Bald ist es damit vorbei, weil ihr privater Umzug nach Potsdam ansteht. Corina Bomann als Spaziergängerin von Sanssoucci – eine ganz passende Umgebung für eine so erfolgreiche Schriftstellerin, die Burgen und Schlösser liebt.
Die in Mecklenburg aufgewachsene Autorin schrieb ihre ersten Geschichten im Alter von acht Jahren. Mit 14 verfasste sie einen 600-seitigen FantasyRoman, das Berufsziel Schriftstellerin stand fest. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitete sie zunächst im Finanzamt und dann 11 Jahre lang als Zahnarzthelferin. Währenddessen schrieb sie immer abends, bevor sie ihr Hobby zum Beruf machen konnte. 1999 verkaufte sie eine Kurzgeschichte an den Bastei Verlag. Ihr erster Verkaufsschlager war ein Neuseeland-Roman. Deutschlandweit bekannt wurde sie 2012, als sie mit ihrem Roman „Die Schmetterlingsinsel“ die Spiegel-Bestsellerliste stürmte. Fast eine Million Exemplare hat die 43-jährige davon inzwischen verkauft. Rund 80 Prozent ihrer Leser sind Frauen. Ihre Werke wurden in alle europäischen Sprachen übersetzt, aktuell auch ins Hebräische. Wir sprachen mit ihr u. a. über den Alltag als Schriftstellerin und die Zukunft des Lesens.
Frau Bomann, wie war das, als Sie sich zum ersten Mal auf der Bestseller-Liste entdeckten?
Ein ganzes Jahr lang Hochgefühl. Insgesamt war das Buch 21 Wochen lang auf der Liste.
Wie waren die Reaktionen in Ihrem Umfeld, bei der Familie und Ihrem alten Chef, dem Zahnarzt?
Meine Familie war begeistert. Sie hat mich immer sehr unterstützt und nie von der Schriftstellerei abgeraten. Und mein Chef wünschte mir, als ich mich damals selbstständig machen wollte, alles Gute. Wir sind noch in Kontakt, und ich habe schon bei seinen Veranstaltungen gelesen.
Liest Ihre Familie die Bücher vor der Veröffentlichung?
Meine beiden Schwestern, denen ich aus Parchim nach Berlin hinterhergezogen bin, sind Germanistinnen. Sie korrigieren ab und zu meine Fahnen mit. Meine ersten Leser sind immer der Verlagslektor und meine Agentin.
Sie schreiben in Ihrem Büro im Potsdamer Studio Babelsberg. Warum im Büro?
Die Umgebung muss reizlos sein, damit ich meine Phantasie ordentlich spielen lassen kann.
Und Ihre Zeiten sind so ähnlich wie bei Thomas Mann genau geregelt?
Ja, ich schreibe von 8 bis 16 Uhr. Wenn man sich an einem Tag richtig ausschreibt, hat man am nächsten Tag ja nichts mehr. Deshalb mache ich um Punkt vier Feierabend und lasse mir etwas Überhang, damit ich am nächsten Tag gleich damit loslegen kann.
Sie sind sehr produktiv.
Mein Rekord liegt bei acht Büchern im Jahr. Das war zu Beginn meiner Karriere, als die Vorschüsse noch nicht hoch waren. Ich war ganz neu, hatte noch keinen Namen und schrieb, was mir vor die Flinte kam, historische Liebesromane zum Beispiel.
Wie ging es mit dem professionellen Schreiben los?
Nach der ersten verkauften Kurzgeschichte fragte mich der Lektor, ob ich mir auch ein Fantasy-Romanheft zutrauen würde. Das war meine Chance zu veröffentlichen! Daraus wurden 400 Heftromane. Eines Tages bekam ich das Angebot, pro Woche ein Heft zu schreiben. Vom Verdienst her gab es dafür das Doppelte meines Gehalts als Zahnarzthelferin. Also habe ich mich selbstständig gemacht.
Ihr Tempo haben Sie beibehalten. Neun erfolgreiche Romane von Ihnen sind allein im Ullstein Verlag erschienen.
Ich habe einen straffen Zeitplan und schreibe zwei Bücher pro Jahr. Derzeit beginne ich mit einer Saga über Schweden.
Sie schreiben auch unter Pseudonym, zum Beispiel als Angelique Fleury den Roman „Die Liebe des Lavendelfürsten“.
Ja, ich habe auch schon Erotik unter Pseudonym verfasst, was ich heute nicht mehr täte. Ich gründete einen eigenen Verlag, um meine alten Rechte zu verwerten. Bücher, die nicht so gut gelaufen sind, bekommt man als Autor nach einer Weile zurück. Meine früheren Werke wie „Lavendelfürst“ gebe ich jetzt selbst als eBook heraus. Unter meinem Namen finden Sie auch Fantasy-Romane. Bis auf Erotik schließe ich für mich gar kein Genre aus.
Richtig los ging Ihr Erfolg mit zwei Mittelalter-Romanen. Nun schreiben Sie vor allem Gegenwartsliteratur mit historischem Einschlag. „Sturmherz“ heißt ihr neuestes Buch. Darin spielt die Hamburger Sturmflut 1962 eine Rolle, es geht also um jüngere Geschichte.
Es ist ein Roman, in dem es vor allem um die Sprachlosigkeit zwischen Mutter und Tochter geht, deren Verhältnis nicht das Beste war. Als die Mutter nach einem Schlaganfall aus dem Koma aufwacht, leidet sie unter Aphasie, eine besondere Form der Sprachstörung, durch die sie ihrer Tochter nichts mehr erzählen kann. Und die Mutter hatte ihre Geheimnisse, an die die Tochter früher nicht herankam. Sie versucht also, vieles aus der Vergangenheit ihrer Mutter zu rekonstruieren. Dabei spielt ein Mann aus dem früheren Leben der Mutter eine Rolle, eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der Sturmflut.
Wie viel Autobiografisches steckt in Ihren Büchern?
Direkt über mich gibt es da nichts. Aber ich schöpfe viel aus meinen Erfahrungen. Bei „Sturmherz“ konnte ich Aphasie so gut beschreiben, weil mein Großvater das auch hatte. Er lag lange im Koma und musste danach das Sprechen wieder mühsam erlernen.
Hatten Sie schon einmal eine Schreibblockade?
Wenn ich einmal nicht schreiben kann, gehe ich wandern oder mache auch mal ein paar Wochen Pause, und dann springt alles wieder an.
Wann und wo kann man Sie live bei Lesungen erleben?
Meine Agentur ist gerade ins Veranstaltungsmanagement eingestiegen, demnächst werden feste Termine geplant. Bisher komme ich so, wie ich gerufen werde. Das kann in einer Buchhandlung vor 100 Gästen sein oder auch bei einem Kaffeekränzchen im Seniorenheim.
Wie waren Ihre Lesungen bisher so besucht?
Bei der Leipziger Buchmesse gab es, als ich aus einem historischen Roman las, einen Pulk von 150 Leuten. Wahnsinn! Ich hatte aber auch schon mal eine Lesung, zu der ich weit gefahren bin, und dort gab es nur eine einzige Besucherin.
Corina Bomann in zehn Jahren: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich hoffe, dass ich dann noch genauso viel Spaß beim Schreiben haben werde. Nach oben ist immer Luft, ich wäre natürlich gern mal die Nummer Eins.
Und wird dann noch gelesen?
Ja, das Buch wird nicht tot sein. In irgendeiner Form wird immer gelesen, auch wenn der Buchmarkt schwieriger geworden ist durch die Konkurrenz von Fernsehen, Internet und Handy. Für ein Buch muss man sich extra Zeit nehmen. Ich glaube, dass das nicht aus der Mode kommt. Es gibt ja eine Gegenbewegung zu der ganzen Hektik. Die Menschen entdecken die Langsamkeit wieder, und da passt ein Buch als Unterhaltungsmedium gut dazu.
Top Magazin Berlin verlost 10 Exemplare von „Sturmherz“, des neuesten Werkes von Corina Bomann. Bitte schreiben Sie uns dazu bis zum 31.8.2017 eine E-Mail an: redaktion@tmm.de, Kennwort: Corina Bomann
Teilnehmen darf jeder über 18 Jahre. Ausgenommen sind Mitarbeiter des Verlages und deren Angehörige. Der Gewinn wird unter den richtigen Einsendungen verlost. Eine Barauszahlung und Übertragung des Gewinns ist nicht möglich, der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Durch die Teilnahme an dem Gewinnspiel werden die Teilnahmebedingungen anerkannt.