Auf ein Wort … mit Patricia Schlesinger, rbb-Intendantin
Neue Besen kehren gut. Dieser Spruch fällt, wenn man über Patricia Schlesinger spricht. Die 55-Jährige löste im Juli als neue rbb-Intendantin Dagmar Reim ab, die 13 Jahre an der Spitze des Senders stand. Seit 2003 gibt es die gemeinsame öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt für Berlin und Brandenburg mit rund 1.500 festangestellten und etwa genauso vielen freien Mitarbeitern. Der rbb ist verantwortlich für ein Drittes Fernsehprogramm und sechs Radiowellen. Außerdem liefert er Beiträge zum Ersten Programm der ARD, z. B. den Berliner Tatort. Patricia Schlesinger, die vom NDR kam, hat sich mit ihrer Programmreform zunächst das Fernsehen vorgenommen. Darüber sprachen wir in ihrem Büro in der 13. Etage des Fernsehzentrums mit grandiosem Blick über Berlin.
Frau Schlesinger, Sie wollen also den rbb rocken. Das habe ich bei der ersten Belegschaftsversammlung gesagt. Viele hochmotivierte Leute hier im Sender haben Energie und Lust auf etwas Neues und wollen die Ärmel hochkrempeln. Wir rocken mit, haben sie gesagt. Mir ist klar, dass mir das nicht nur Freunde macht. Ich werde auch unbequeme Entscheidungen treffen müssen, die weh tun.
Was genau passiert ab Januar? Wir stellen das Programmschema um, die ersten neuen Sendungen starten aber erst ab April. Nach der Sommerpause wird es dann sechs runderneuerte Sendungen geben. Kultur und Sport z. B. bleiben erhalten, bekommen aber ein anderes Aroma und andere Sendeplätze. Wir werden den investigativen Journalismus stärken. Ab 2018 wünsche ich mir das eine oder andere Neue im fiktionalen Bereich, aber das braucht größeren Vorlauf.
„Ich werde auch unbequeme Entscheidungen treffen müssen, die weh tun.“
Bei Fiktionalem denken Ältere an so legendäre Serien wie „Liebling Kreuzberg“, „Praxis Bülowbogen“ und „Drei Damen vom Grill“. Lang ist‘s her, dass so etwas aus Berlin kam, zumindest vom rbb. Wird das nun anders, gibt es bald eine neue Hauptstadtserie? Ich wäre froh über eine fiktionale Serie aus Berlin, wobei ich beim großen Hype der amerikanischen Serien vorsichtig bin. Die deutschen Serienexperimente im Ersten und den Dritten, aber auch bei den Privatsendern, haben nicht die Akzeptanz erzielt, die man ihnen wünschen würde. Die Menschen, die sich gern Serien anschauen – und das ist nicht die Masse –, holen sie sich aus dem Netz.
Aber so eine Serie wie „Weißensee“, die in Berlin spielt, war doch ein großer Erfolg im Fernsehen. Ja, diese Serie ist großartig. Langfristig fände ich es gut, wenn wir – vielleicht in Zusammenarbeit mit anderen – eine gute Hauptstadtserie entwickeln könnten, aber das braucht seine Zeit.
NDR Talk Show, Kölner Treff und Riverboat – kennt jeder. Wie sieht es aus mit einer neuen Talk-Sendung aus Berlin? Das sind alles schöne Formate. Wir prüfen das noch und sind für Ideen offen.
Sie kamen von der Vierländeranstalt NDR zur Zweiländeranstalt rbb. Berlin und Brandenburg sind zwei Länder, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Wie bekommen Sie den Spagat hin, für beide zu senden? Wir haben es hier mit sehr großen sozialen Unterschieden zu tun, es gibt Menschen mit ganz anderen Lebensgefühlen und Sehgewohnheiten. Das gilt auch in der Stadt für Ost und West, ich nehme Berlin in vielen Bereichen als geteilte Stadt wahr. Das Stadt-Land-Gefälle haben fast alle Sender. Wir haben die Aufgabe, jedem etwas im Programm zu geben, den Brandenburgern wie den Berlinern. Wir müssen das funkige, glitzernde Berlin genauso zeigen wie das gutbürgerliche Berlin. Wir werden also nicht viele Sendungen haben, die allen gefallen, sondern Inseln im Programm für die unterschiedlichen Zielgruppen schaffen. Sonst muss man in einer Sendung zu viele Kompromisse machen.
Apropos Kompromisse, der rbb zeigt ja vor allem Übernahmen anderer Sender. Gibt es künftig mehr Eigenproduktionen? Wenn der Sender ein Profil haben soll, muss man dahin gehen, wo die meisten Leute fernsehen, also ins Abendprogramm. Wenn wir von sieben Abenden in der Woche an vier bis fünf Abenden Wiederholungen und Übernahmen senden, können wir kein Profil aufbauen, denn darin fehlen Berlin und Brandenburg. Das möchte ich ändern, indem wir mehr Eigenes produzieren. Ziel sollte sein, um 20.15 Uhr fast immer eine Eigenproduktion zu senden.
Gab es einen Rat von ihrer Vorgängerin Dagmar Reims? Sie hat mir den Sender in sehr gutem Zustand übergeben. Ihr nächstes Projekt wäre sicher auch das Fernsehen gewesen. Sie hat mich in vielen Gesprächen gut vorbereitet und als Grundgefühl hat sie mir vermittelt: Sei stark, denn das wird nicht einfach.
Von der Vollblut-Journalistin zur Spitzenmanagerin, wie kam das? Mit 16 wusste ich schon, dass ich Journalistin werde. Ich bin neugierig, möchte alles verstehen und das Wissen weitergeben. Ich habe den Journalismus immer wie eine große Universität begriffen. Die letzten 11 Jahre beim NDR war ich bereits kaum noch redaktionell tätig, sondern vor allem als Programmmanagerin. Das bin ich jetzt an anderer Stelle und mit mehr Menschen, doch mit einem großen Apparat zu arbeiten, ist mir nicht fremd. Ich freue mich, wenn ich Journalismus in der besten Form möglich machen kann.
Was haben Sie aus Ihrer Zeit als Auslandskorrespondentin in Singapur und Washington mitgenommen? Ein großes Interesse an Unfertigem. In Asien war ich für 12 Länder zuständig. Ich fand hochspannend, wie diese ganz verschiedenen Gesellschaften mit ihrer jeweiligen so unterschiedlichen Kultur und Geschichte umgehen. Und in den USA – ich war während der Terroranschläge von 9/11 im Land – habe ich gelernt, dass nichts so bleiben muss, wie es ist. Alles, was nicht vollendet ist, reizt mich. Daher bin ich hier genau richtig, denn in der Stadt und im Sender bewegt sich viel.
Fremd ist Ihnen Berlin also nicht mehr? Nein, ich kannte Berlin bereits recht gut und habe mich schnell eingelebt. Zurzeit wohne ich in Charlottenburg, wo ich mich sehr wohlfühle, bin aber auch – Stichwort Unfertiges – gern in Kreuzberg, Friedrichshain und Neukölln unterwegs. Noch pendele ich nach Hamburg, weil meine Tochter dort im Frühjahr Abitur macht. Und mein Mann kommt 2017 nach Berlin.