Beneidet hat ihn wohl kaum jemand, als Dr. Karsten Mühlenfeld im Jahr 2015 Geschäftsführer der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) wurde. Seither überzeugt der Wirtschaftsmanager mit problemorientierter Sachlichkeit und analytischem Weitblick.
Der berufliche Werdegang des promovierten Maschinenbauers ist eng mit der Luftfahrt-Sparte des Rolls- Royce-Konzerns verbunden. Begonnen als Entwicklungsingenieur in München, bekleidete er in den 90er-Jahren unterschiedliche Führungspositionen mit zunehmendem Verantwortungsumfang im Bereich der Triebwerksentwicklung im Werk Dahlewitz. Nach einer dreijährigen Tätigkeit als Technischer Direktor der Europrop International GmbH in Madrid – einem Joint Venture von Rolls-Royce und drei weiteren europäischen Triebwerksherstellern – kehrte er 2007 als Programmdirektor und später Technik-Geschäftsführer ins Stammunternehmen nach Blankenfelde-Mahlow zurück und war zuletzt Bombardier-Entwicklungschef für Zentral- und Osteuropa.
Wenn wir jetzt eine Stunde das Thema „Flughafen“ bewusst vermeiden würden, worüber würden Sie gern sprechen? Das ist eine schwierige Frage! Ich würde schon über Flughäfen reden, aber die drei Buchstaben BER für eine Stunde aussparen. In der ganzen Diskussion bekommen die Flughäfen Tegel (TXL) und Schönefeld (SXF) zu wenig Aufmerksamkeit. Kaum jemand beachtet und würdigt die Leistungen der Mitarbeiter vor Ort, die unter komplizierten Bedingungen einen Flugverkehr abwickeln, der weit über jeder Planungsgröße liegt. Darüber rede ich gern.
Und was genau? Vor allem eben über die Mitarbeiter, die von „ihrem“ Flughafen sprechen und mit dieser Einstellung arbeiten. Tegel wurde ursprünglich für weniger als fünf Millionen Passagiere jährlich geplant, 22 Millionen sind es gegenwärtig. Schönefeld war einst für zwei Millionen Fluggäste ausgelegt und führte bis 2004 eher ein Mauerblümchendasein. Dann kam easyJet, später Ryanair. Allein in diesem Jahr haben wir hier 40 Prozent Wachstum, 2017 werden es 12 Millionen Passagiere sein. Beide Flughäfen erreichen im internationalen Vergleich hohe Werte in Sachen Pünktlichkeit. Die Piloten der Vereinigung Cockpit wählten beide Flughäfen zu den sichersten des Landes. Davor platzierte sich nur Leipzig. Natürlich platzen Tegel und Schönefeld aus allen Nähten. Und auch das Einkaufserlebnis bleibt hinter anderen Flughäfen zurück, schließlich sollte ja 2012 der BER an den Start gehen. Aber die Fluggäste – vor allem die Geschäftsreisenden – und die Airline-Mitarbeiter mögen im Arbeitsalltag die kurzen Wege.
Und schon sind wir wieder beim BER. Wie sieht Ihr normaler Arbeitstag aus? Natürlich ist jeder Tag anders. Rund 40 Prozent meiner täglichen Arbeitszeit beschäftige ich mich mit dem BER. Natürlich sind noch viele andere Themen anzupacken: Personalfragen, die Zusammenarbeit mit den Airlines, interne Abstimmungen. Für mich beginnt der Arbeitstag um 8 Uhr und endet gegen 18.30 Uhr. An den meisten Tagen in der Woche sind abends Veranstaltungen, sodass ich selten vor 22 Uhr zu Hause bin.
Das ist ein Arbeitstag von durchschnittlich 14 Stunden und der BER ist Medien-Dauerthema rund um die Uhr. Wie schaffen Sie es da überhaupt, abzuschalten? Wenn ich nach Hause komme, lasse ich den Arbeitstag hinter mir. Es gibt viele Tätigkeiten, bei denen ich wunderbar abschalten kann. So gehe ich einmal wöchentlich mit meiner Frau tanzen, Standard und Latein. Am Wochenende steht mindestens einmal Laufen auf dem Plan. Danach ist der Kopf frei. Und ich baue und werkele gern.
Selbst ist der Mann, wenn bei Mühlenfelds der Geschirrspüler oder der Rasenmäher streikt? Also Geschirrspüler und Rasenmäher repariere ich nicht selbst, auch wenn ich mir das durchaus zutrauen würde. Garten- und Pflasterarbeit mache ich gerne und regelmäßig, dabei kann ich abschalten. Und als wir im Sommer keinen Handwerker fanden, der eine Klimaanlage einbaut, habe ich das eben selbst erledigt. Sie funktioniert bestens.
In Ihrer beruflichen Tätigkeit kommt Ihnen viel Kritik entgegen, deren Ursachen vor Ihrer Zeit liegen. Wie gehen Sie persönlich damit um? Ist das Fell im Laufe der Zeit dicker geworden? Mit Kritik sollte jeder Entscheider professionell umgehen können. Dickes Fell ist der falsche Ausdruck, Kritik muss sachlich und nicht pauschal formuliert sein. Ich habe den Vorteil des Späteinsteigers und muss mich nicht für das Desaster aus dem Jahr 2012 verantwortlich fühlen. Meine Pflicht ist die Fertigstellung des BER und das Führen der Mannschaft. Natürlich haben wir alle hier enorm viel Druck rund um den BER-Eröffnungstermin. Ich kann die Fokussierung in den Medien darauf nicht immer nachvollziehen, aber das muss man gelassen hinnehmen.
Haben Sie angesichts so akuter Probleme überhaupt den Kopf frei, das Projekt BER weiterzuentwickeln? Es wäre fatal, wenn nicht. Ich habe bereits in meinem ersten Jahr eine Planung bis ins Jahr 2023 vorgelegt, die eine Antwort auf die Kernfrage gibt: Wie bewältigen wir die steigenden Passagierzahlen? Das ist die vom Aufsichtsrat bestätigte mittelfristige Planung, die sich mit der Infrastruktur beschäftigt und auch berücksichtigt, dass Schönefeld weiterbetrieben werden muss, um die Passagierzahlen zu bewältigen. Gegenwärtig beschäftigen wir uns mit einer längerfristigen Strategieplanung bis ins Jahr 2040, die die Gesamtentwicklung des Unternehmens umfasst und nicht nur die Infrastruktur.
Der BER als Drehkreuz des internationalen Flugverkehrs? Das ist eine der Kernfragen der Strategieplanung: Welcher Flughafen wollen wir sein? Groß wie Frankfurt? Hochwertig wie München, der Five-Star-Airport? Was passt zu Berlin? Was ist das Richtige in einer Zeit, in der Fliegen für beinahe jeden eine alltägliche Form der Mobilität ist? Die Entscheidung darüber beeinflusst natürlich auch die Struktur der Immobilienentwicklung sowie des Einzelhandels und der Gastronomie am Airport. Für all das haben wir einen Leiter im Bereich Unternehmensentwicklung eingestellt.
Was sind hierbei die bestimmenden Faktoren? Die Passagiere? Die Airlines? Das Betriebsergebnis? So einfach ist das nicht, wir sind nun mal kein Wirtschaftsunternehmen, bei dem allein die betriebswirtschaftlichen Zahlen entscheiden. Am Ende geht es um einen funktionierenden Interessenausgleich zwischen zufriedenen Passagieren, zufriedenen Airlines, zufriedenen Umlandgemeinden und einem möglichst hohen Umsatz. Gesellschaftliche Akzeptanz ist für einen Flughafen in Staatseigentum besonders wichtig.
Wie ist Ihr Medienverhalten? Was ist Pflichtprogramm? Gibt es Medien-freie Zeiten? Pflichtprogramm ist natürlich der tägliche Pressespiegel. Ich lese auch nach 22 Uhr nochmal kurz meine E-Mails, um notfalls kurzfristig reagieren zu können. Viel kann man dann meist nicht mehr ändern, aber ich weiß, was mich am nächsten Morgen erwartet.
Sind Sie auch im Privatleben ein so rationaler Problemlöser? Ich denke schon. Zuerst kommt die Lösung des Problems und dann ist Zeit und Raum für die emotionalen Elemente, auch wenn meine Frau die Richtigkeit dieser Reihenfolge manchmal anzweifelt. Ich suche eben lieber zuerst nach einer Lösung. Aufregen kann ich mich dann immer noch.
Haben Sie noch Kontakte zu Ihren Rolls- Royce-Kollegen in Dahlewitz? Das Werk kennen Sie ja vom ersten Spatenstich an. Ja natürlich, auf verschiedenen Ebenen, und ich verfolge interessiert, wie sich das Unternehmen entwickelt. 20 Jahre prägen. Viele Tools, die bei Rolls Royce sehr professionell gehandhabt wurden – wie beispielsweise das Projektmanagement – setze ich hier um.
Was sind für Sie die schönsten Ecken der Region? Ich mag die Brandenburger Seen, besonders den Scharmützel- und den Werbellinsee. Es ist für die Entwicklung der Region wichtig, die Symbiose zwischen Berlin und Brandenburg weiter zu stärken. Gerade auch auf dem internationalen Parkett ist es sehr hilfreich, wenn sich die Region als Einheit präsentiert. Ich hoffe, dass viele expandierende Industrieunternehmen – für Industrieansiedlungen fehlen nun mal in der Stadt die Flächen – den Weg nach Brandenburg finden, was übrigens auch die Verkehrslage zur Rush Hour entspannen würde. Hier werden wir unseren Beitrag leisten, denn ein Flughafen ist immer auch ein Wirtschaftsmagnet. Im Umland arbeiten, in der Stadt leben ist doch für viele jüngere Menschen ein attraktiver Lebensentwurf.
Wie geht Ihr Leben nach Eröffnung des BER weiter? Unser Vorschlag: ein Buch über Krisenmanagement schreiben. Wir müssen erst mal das Krisenmanagement erfolgreich zu Ende bringen. Das ist für mich die Eröffnung des BER. Und wenn das gelungen ist, folgen Ausbaumaßnahmen, denn der Berliner Flugverkehr ist der am schnellsten wachsende in Deutschland. Allein 2016 waren es 11 Prozent. Ich werde also auch in den kommenden Jahren gut ausgelastet sein.