Psychothriller sind Sebastian Fitzeks Spezialgebiet. Seit seinem Erstling „Die Therapie“ im Jahr 2006 veröffentlichte der gebürtige Berliner eine Reihe davon, die alle die Bestenlisten stürmten. Der 45-Jährige ist nominiert für den Krimipreis 2016/17. Seine Bücher erreichen eine Gesamtauflage von 6 Millionen und wurden in 24 Sprachen übersetzt. Mittlerweile ist er seit zehn Jahren sehr erfolgreich im Geschäft. Grund für eine Jubiläumsherbsttour. Die startet natürlich in Berlin, und zwar am 26. Oktober im Tempodrom, parallel zur Veröffentlichung seines neuesten Werkes „Das Paket“. Wir erreichten ihn zum Interview per Telefon am Schreibtisch seines Büros in Grunewald.
In Ihrem neuen Buch geht es um eine junge Psychiaterin, die in einem Hotelzimmer vergewaltigt wurde. Dann verlässt sie ihr Haus am Rande des Grunewalds nicht mehr, weil sie fürchtet, dass der Psychopath kommt, um sie zu töten. Eines Tages soll sie ein Paket für einen Nachbarn entgegennehmen, den sie nicht kennt. Ich war mal in einer ähnlichen Situation. Da ich ja selbst in so einer kleinen Straße wie die Hauptfigur wohne, dachte ich, hier alle zu kennen. Und dann brachte die Post ein Paket für jemanden, dessen Name mir gar nichts sagte. Das Buch knüpft an „Die Therapie“ und das Genre eines klaustrophobischen Psychotrillers an.
Warum ist die Protagonistin eine Psychiaterin? Das war nicht so geplant. Eine Freundin von mir bekam in einem New Yorker Hotel einen großen Schreck. Sie stieg aus der Dusche und las an der beschlagenen Glasscheibe die Worte „Help me!“. Da hatten sich die Vorgänger einen Scherz erlaubt und mit Fettfingern an die Scheibe geschrieben, was das Zimmermädchen nicht weggeputzt hatte. Ich überlegte, warum meine Protagonistin in der eigenen Stadt im Hotel übernachtet. Da ist mir ein Kongress eingefallen, bei dem man abends dabei sein muss. Eine Psychiaterin bot sich da an, auch weil sie reflektieren kann, wie sie worauf reagiert. Sie hat selbst über Paranoia geforscht. Sie ist eine unsichere Hauptfigur, der wir als Leser selbst nicht trauen können.
Wer wird die Psychiaterin in einer Verfilmung spielen? Ich denke bei meinen Figuren nie an bekannte Gesichter.
Aber es gibt schon Schauspieler, die Sie besonders gut finden? In Deutschland auf jeden Fall Hannah Herzsprung, Ronald Zehrfeld und die ganze Besetzung der Serie „Weißensee“.
Können Sie noch mehr über „Das Paket“ vorab verraten? Statt einer Danksagung veröffentliche ich darin zehn Leserbriefe mit viel privatem Bezug zu meinen Büchern – von lustig über herzzerreißend bis skurril.
Der Kontakt zu Ihren Lesern liegt Ihnen sehr am Herzen? Ja, diesen Kontakt sollte jeder Autor suchen. Wir schicken die Leser ja auf eine Reise und sie liefern sich uns aus. Diese Macht der Bücher übersehen nicht nur die Kritiker, sondern auch viele Autoren selbst. Wir schreiben ja, um Gefühle zu erzeugen. Der enge Leserkontakt erdet mich sehr.
2015 veröffentlichten Sie „Die Blutschule“ unter dem Pseudonym Max Rhode, dem Protagonisten aus Ihrem parallel erschienenen Roman „Das Joshua-Profil.“ Sie traten auch als Max Rhode mit falschem Bart und Tattoos auf. Was hatte Sie da geritten? Ich bin ein Spielkind und probiere gern was aus. Viel Spaß hat das gemacht. Ich nutze für eine gute Geschichte jeden Raum, der sich bietet. Aber generell: Meine Figuren verselbstständigen sich beim Schreiben. Wir Autoren müssen multiple Persönlichkeiten sein und uns in andere hineinversetzen können.
Auch in Serienkiller? Ja. Ich werde oft gefragt, ob man selbst eine Macke haben muss, um über Psychopathen zu schreiben. Ganz im Gegenteil! Denen mangelt es ja gerade an Empathie, die ein Schriftsteller unbedingt haben muss. Kurioserweise werde ich öfter gefragt, wie ich mich in eine Frau hineinversetzen kann als wie in einen Serienkiller.
Sie sind für ungewöhnliche Lesungen bekannt. Ja, Wasserglaslesungen haben natürlich ihre Berechtigung, wenn ein Autor eine gute Stimme hat. So was ist mir aber zu langweilig. Ich habe bei einer Lesung in einer Buchhandlung mal eine Entwaffnung eines Verbrechers durch das SEK nachgestellt. Das kam sehr gut an und bedeutete auch viel mehr Spaß für mich.
Sie lasen schon vor 1.200 Leuten mit einer Band im Hintergrund. Da fühlt man sich schon als Rockstar, oder? Ich wollte in meiner Jugend ja mal Schlagzeuger werden, woraus nichts wurde. Aber das mit der Band bei der Lesung kam meinem Rockstartraum natürlich ziemlich nahe. Und ich hab mit der Band im Tourbus übernachtet.
Gab es bei Ihnen als Literaturstar danach auch wilde After-Show-Partys? Nein, auch BHs sind noch nicht auf die Bühne geflogen.
Sebastian Fitzek in zehn Jahren, was wünschen Sie sich für die Zukunft? Ich werde auf jeden Fall weiter Geschichten erzählen, egal in welchem Medium. Auch als Jurastudent sucht man in seiner Arbeit ja Präzedenzfälle, die eine Geschichte erzählen. Ich hoffe, dass etwas völlig Unbekanntes passiert, weil diese Dinge bei mir immer zum Erfolg werden. Ich wollte z. B. nie Schriftsteller werden, sondern Schlagzeuger und Tierarzt. Dafür habe ich sogar drei Monate studiert, hat aber nicht ganz so gut geklappt.
Berlin bleiben Sie aber treu? Na ich könnte die Stadt schon mal verlassen und neue Menschen kennenlernen. Wenn mich der Hafer sticht, mache ich vielleicht mein zweites Staatsexamen in Jura und arbeite als Strafverteidiger. Aber niemand wird sein Schicksal in die Hände eines Psychothrillerautors geben, oder? (lacht)
Verraten Sie mir, woran Sie derzeit gerade schreiben? Ich bin ja eine Plaudertasche, aber da würde mich mein Verlag killen.