2017 feiert der Wintergarten sein 25-jähriges Jubiläum in der Potsdamer Straße. Dort tut sich viel: im Varieté und drumherum. Wir trafen Georg Strecker, Geschäftsführer des Hauses mit der langen Berlin-Geschichte.
Die lange Nacht nach der Premiere der neuen Show sieht man dem Theatermann nicht an. Profi eben. „RELAX! – 80‘s Hits & Acrobatics“ – der Ausflug in die 80er-Jahre mit Liveband, Sängerin und großartigen Artisten – wird bis zum Februar 2017 durchschnittlich fünfmal wöchentlich auf dem Spielplan eines Hauses stehen, das auf eine lange Geschichte zurückblickt. Einst größtes Varieté Europas, in dem Stars wie Charlie Rivel, Rastelli, Clown Grock, Claire Waldoff und Otto Reutter auftraten, fiel das Theater in der Friedrichstraße bei einem Bombenangriff 1944 in Schutt und Asche. An die glanzvollen Zeiten knüpfte der Wintergarten bei seiner Wiedereröffnung 1992 an. Die Wiederbelebung des Varietés mit der Kombination aus Akrobatik, Tanz und Zauberei war in dieser Zeit etwas Neues in Berlin, genauso wie die Verbindung von Show und Gastronomie. Das Theater mit dem funkelnden Sternenhimmel – den es schon im Mutter-Varieté gab – und seinem Zuschauerraum mit dem dunkelroten Samt und dunklen, edlen Hölzern war jeden Abend gut besucht. Heute „sitzen viele Angler um den großen Kulturteich und jeder hofft auf reichen Fang“, so Georg Strecker angesichts vieler Entertainment- Bühnen, die jeden Abend um die Gunst der Zuschauer wetteifern. Der Wintergarten gehört zu den Kultureinrichtungen, die nicht der warme Regen der öffentlichen Zuwendungen trifft. „Wir müssen jeden Euro, den wir für Künstler, den weiteren Ausbau des Hauses, die Werbung und all das, was zu einer funktionierenden Show gehört, selbst verdienen.“
Für Georg Strecker begann gerade die 18. Spielzeit in der Potsdamer Straße, auf die er mit Wohlwollen schaut. „Die ‚Potse‘ wird gerade ein Hot-Spot“, sagt er lächelnd angesichts neu eröffneter Galerien, einer lebendigen, experimentierfreudigen Gastronomie und Geschäften, deren Angebote aus dem Alltagsrahmen fallen. „Das tut auch uns gut“, konstatiert der Varieté-Chef. Der Wintergarten hat viele Stammzuschauer, die die hohe Kunst der Akrobatik lieben und die Shows schätzen. Die Hälfte der Zuschauer des Wintergartens sind Gäste der Stadt aus aller Herren Länder, schließlich braucht niemand für Artistik, Musik und Tanz ein Wörterbuch. Immer wieder überraschte das Wintergarten-Varieté mit neuen Showideen und Formaten; weg vom reinen Nummernprogramm, hin zu Shows, die eine Erzählidee verbindet. Hinzu kamen die musikgetragenen Revuen zwischen Mozart, den Sounds einzelner Epochen und leichtfüßiger deutschsprachiger Musik. An den beiden ersten Tagen der Woche gönnt der Wintergarten seinen Artisten und Musikern eine Pause und öffnet die Bühne für die Programme anderer Künstler. Ein erfolgreicher Dauerbrenner sind die alljährlichen Familien-Klassiker zur Weihnachtszeit unter dem Titel „Zimt & Zauber“, der von Eckart von Hirschhausen stammt. Die Veranstaltungsreihe feiert ihr 20-jähriges Jubiläum. In diesem Advent beehrt „Die Schneekönigin“ die Varieté- Bühne. Und im Februar gibt‘s „LIKE BERLIN“, eine Art Update der Kultshow „Made in Berlin“. Ab Juli folgt SAYONARA TOKYO – ähnlich einer Japan-Revue, von Geishas über Tamagotchis bis hin zu Mangas. „Was alle Programme eint, ist die hohe Qualität“, erklärt Georg Strecker. Ein Anspruch, der das ganze Haus durchzieht, von der Garderobenfrau bis zur hauseigenen Gastronomie.
Puderraum und Wintergarten für den Wintergarten
Gerade diese beiden Bereiche erbrachten bisher im Wintergarten unter schwierigen Bedingungen Hochleistungen: Maximale Performance auf minimalem Raum. „Und die Schlangen an den Damentoiletten waren immer ein Problem“, weiß Georg Strecker nur zu gut. Was tun? Das Haus hat nun mal seine altbaulichen Gegebenheiten. Der kühne Plan geht in die Unterwelt. Seit vielen Monaten wird nun gebuddelt und gebaut, leben Zuschauer und Mitarbeiter mit Provisorien und Umwegen. Doch was entsteht, verspricht Showtime à la Fiona Bennett. Das Geschäft der Hutdesignerin ist vis-à-vis des Wintergartens. „Und ich dachte mir: Wer so extravagante Hüte entwirft, hat sicherlich auch einzigartige Ideen für ein Foyer.“ Die Erwartungen des Theatermanns wurden mehr als einfach nur erfüllt. Im Entstehen ist ein Foyer mit geschwungenen Linien, dessen helle Grundfarbe mit einem lasziven Rot und Goldtönen kokettiert. Überall sind Spielereien versteckt, die überraschen und amüsieren. Statt der bisherigen drei Damentoiletten wird es zwölf geben, das Boudoir vor dem Ladys-Room nennt Georg Strecker „Puderraum“. Hier wird ein zartes Rosé dominieren. Der gesamte Unterweltbereich ist auch für Gäste mit Handicap erreich- und nutzbar. Später kann das Foyer bespielt werden. Im Zuge der Bauarbeiten wurden auch die Künstlergarderoben und der Backstagebereich erweitert.
Doch angesteckt von den Zauberern auf der Bühne zieht Georg Strecker noch eine Überraschung aus dem Hut: In einem zweiten Umbauschritt erhält der Hof des Wintergartens einen Wintergarten. „Ein gläsernes Dach mit Licht und Soundanlage.“ Zukunftsmusik? „Das möchten wir gern zum 25. Geburtstag im nächsten Jahr einweihen“, bekennt er. Zaubern kann er nicht, aber schaffbar sei es. Und Georg Strecker hat auch schon Ideen, diesen neuen Raum zu bespielen. Aber das ist nun wirklich Zukunftsmusik.