30 Jahre und noch kein bisschen leiser  

Das Classic Open Air auf dem Gendarmenmarkt feierte vom 7. bis um 11. Juli vor einer prachtvollen Kulisse sein 30-jähriges Jubiläum. uf dem Gendarmenmarkt, umrahmt von Konzerthaus, Französischen und Deutschen Dom, bezauberten an fünf Abenden unter freiem Himmel Klassik von Verdi, Offenbach, Puccini, Haydn, Mozart und Vivaldi sowie Jazz mit Angelika Weiz, Swing mit Andrej Hermlin und Schlager mit Howard Carpendale die Gäste. Das TOP Magazin Berlin sprach im Vorfeld des Festivals mit Geschäftsführer Mario Hempel, unter anderem auch darüber, was sich hinter der Bühne des bekanntesten Klassikfestivals Berlins in den vergangenen 30 Jahren zugetragen hat.  

Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause fand wieder ein Classic Open Air statt. Wie fühlt sich das an?
Wunderbar! Es war eine schwere Zeit für die Kulturbranche und wir freuen uns, endlich wieder spielen zu dürfen.

In dreißig Jahren Classic Open Air haben Sie eine Menge erlebt. Woran erinnern Sie sich am liebsten?
Daran, wie ich auf die Idee kam, 2018 wieder einmal Soul und Funk aufs Festival zu holen: Meine damals sieben Jahre alte Tochter Alina sang im Auto den 80er-Jahre Song „We are Family“ der US-Band „Sister Sledge“. Sie erzählte, dass sie ihn in ihrer Schule mit tausend Kindern in der Turnhalle gesungen hätte. Das habe ich dann dem Gerhard (Festivaldirektor und künstlerischer Leiter Gerhard Kämpfe, Anm. d. Red.) erzählt, und er sagte: „Wir würden gut daran tun, Classics of Soul and Funk zu machen, damit wir auch junge Leute erreichen“. Und so spielten 2018 zwei Funk- und Soulbands aus den USA auf dem Berliner Gendarmenmarkt: Sister Sledge und Earth, Wind and Fire. Diese Top-Bands auf unser Festival zu holen, war ein langgehegter Traum von mir.

Hat Ihre Tochter das Konzert der Sister Sledge miterlebt?
Ja, natürlich. Sie war sehr glücklich, die Stars zu erleben, die sie eigentlich, sagen wir mal, aufs Festival geholt hat. Am Ende des Konzerts hat sie die Blumen überreicht und ist in unserem 30-Jahre-Buch gemeinsam mit den Sister-Sledge-Schwestern auf einem Foto zu sehen. Ohne sie wäre ich nie auf die Idee gekommen, dieses Konzert zu machen; sie hat’s im Endeffekt angeschoben. Und ich musste mir anschließend ein halbes Jahr lang von ihr ‘We Are Family’ im Auto anhören … 

Ist Ihre Familie auch heute noch bei den Konzerten dabei?
Ja, jeden Abend. In der ersten Reihe sind immer Plätze für sie reserviert. Zudem haben meine sechsjährigen Zwillinge während des Festivals Geburtstag. Den haben sie auf dem Gendarmenmarkt gefeiert.

Mit einem ausverkauften Konzert von Startenor José Carreras startete 1992 das Classic Open Air-Festival. Seitdem verpflichteten Sie viele Weltstars der klassischen Musik: Montserrat Caballé, José Cura, Anna Maria Kaufmann, Kurt Masur, René Kollo. Aber auch Buena Vista Social Club, Chris de Burgh, die Scorpions, Xavier Naidoo, Roger Cicero, Sarah Connor, Katie Melua und Andreas Gabalier waren zu Gast. Mit welchem Star verbindet Sie ein besonderes Erlebnis?
Mit Chris de Burgh. 2016 saß das Veranstaltungsteam nach einer Veranstaltung schön auf ein Bierchen im VIP-Zelt, als ein Anruf von unserem Produktionsleiter kam: „Mario und Gerhard, der Chris de Burgh ist hier bei uns auf dem Platz.” Er sollte am nächsten Tag ein Konzert geben. Wir glaubten erst an einen Scherz, gingen dann aber doch zur Bühne – und wen sehen wir? Einen kleinen, schwarz gekleideten Mann, der uns verblüfft anschaute. Wir stellten uns als Veranstalter vor und fragten, was er denn jetzt schon hier mache? „Ich habe die Schönheit des Platzes im Internet gesehen und wollte ihn mir ohne Publikum anschauen, mich reinfühlen“, sagte er. Wir haben ihm dann herumgeführt, ihn von der Geschichte des Platzes erzählt usw. und anschließend mit ihm, Bill Ramsey und Gitte Henning bis morgens früh um vier bei einem Radeberger Bier zusammengesessen. Wird er heute in Interviews gefragt, wo er sein schönstes Konzert hatte, antwortet er immer: auf dem Gendarmenmarkt in Berlin. Chris de Burgh liebt diesen Platz – die Scorpions übrigens auch.

Haben Sie noch eine weitere Anekdote in petto?
2001 wünschte sich José Carreras, mit Scorpions-Sänger Klaus Meine die Klassik-Variante des Liedes ‘Wind of Chance’ zu singen. Das haben wir organisiert und so sangen der Startenor und der Hard-Rocker am Ende eines Klassik-Konzerte gemeinsam ein Duett. Die Scorpions wollten darauf unbedingt einmal ihr Rock-Klassik-Konzert auf dem Platz spielen. Das taten sie dann 2002 mit den Berliner Symphonikern und 2011 sogar ein zweites Mal mit dem Babelsberger Filmorchester.

Das Konzert von Howard Carpendale beim diesjährigen Festival war bereits im Vorfeld fast ausverkauft. Kann man es als Höhepunkt des Festivals bezeichnen, obwohl es kein klassisches ist?
Ja natürlich, Howard Carpendale ist totaler Kult. Künstler wie er, die über 50 Jahre auf der Bühne stehen, sind ja auch „Klassiker“ in ihrem Genre. Deshalb freuen wir uns immer wieder auf ‘Howie’ oder Roland Kaiser. Diese Entertainer ziehen die Zuschauer an. Das Konzert von Udo Jürgens 2005 war acht Wochen vorher ausverkauft, die Karten wurden für bis zu tausend Euro bei Ebay versteigert.

Was macht den Erfolg und den Zauber von Classic Open Air Ihrer Meinung nach aus, und wird es 2023 weitergehen?
Wir sprechen mit unserem Programm-Mix eine breite Zielgruppe an. Doch viele unserer Zuschauer kommen nur wegen dieses Platzes, das muss man ganz klar sagen. Der Gendarmenmarkt ist das Entscheidende: Man kann Classic Open Air nur hier machen. Die Atmosphäre ist einmalig, das Festival lebt von diesem Platz. Deshalb haben wir ihn exklusiv bis 2029 gemietet.

Vielen Dank für das Gespräch.

www.classicopenair.de

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