Der Katalog war gedruckt, die Gästeliste verabschiedet, die Einladungskarten zum 100. Geburtstag der Galerie Nierendorf in der Hardenbergstraße layoutet – dann kam … Die große Jubiläumsausstellung mit fast 200 Bildern deutscher Expressionisten und renommierter Maler der Klassischen Moderne ist noch bis Mitte August zu sehen.
Ernst Barlach, Otto Dix, Hannah Höch, Lyonel Feininger, George Grosz, Oskar Kokoschka, Otto Mueller, Emil Nolde … selbst ein Picasso gehört zu den Werken, die für 100 Jahre Galerie stehen. Die Biografien vieler der Künstler sind eng mit der Galeriegeschichte verwoben. Karl Nierendorf, der den Mut hatte, in den Inflationsjahren nach dem 1. Weltkrieg eine Galerie für Kunst zu eröffnen, gehörte zu den ersten, die das Talent von Otto Dix erkannten. Schnell folgte ein Generalvertretungsvertrag mit dem Maler und Grafiker. „Freundschaften gehören zur 100-jährigen Geschichte der Galerie“, resümiert Inhaber Ergün Özdemir-Karsch. Seine eigene Geschichte steht exemplarisch dafür. Als junger Mann kam er 1973 aus der Türkei nach Berlin mit dem Wunsch, Maschinenbau zu studieren. „Ich musste meinen Lebensunterhalt verdienen“, erinnert er sich und berichtet, wie er in der Galerie von Inge und Florian Karsch Passepartouts nach Maß schnitt. Das Künstlerpaar, das zu vielen namhaften Malern enge persönliche Beziehungen unterhielt, hatte nach den Wirren der Kriegs- und Nachkriegsjahre den Kunsthandel mit regelmäßigen Ausstellungen neu belebt. Der Beginn einer Erfolgsgeschichte, für deren Weiterführung das Paar einen ungewöhnlichen Plan entwickelte und umsetzte: Sie adoptierten Ergün, was heute einfacher klingt als es rechtlich damals war. Aus dem technischen Studium wurde nichts, statt dessen entwickelte sich Ergün Özdemir- Karsch zu einem Kunstkenner, der den Ruf der Galerie auf dem umtriebigen Kunstmarkt weiter profilierte und längst ein gefragter Provenienz- Experte für Werke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist. Gerade hat ihn ein Filmemacher angefragt, eine Dokumentation über seinen ungewöhnlichen Lebensweg zu drehen. Der Galeriebesitzer winkt ab: „Das ist viel zu früh“ meint er lächelnd und freut sich, dass die nächste Generation mit Tochter Seda und Sohn Serkan bereits in der Galerie arbeitet. Noch bis Mitte August ist die Jubiläumsausstellung in der Hardenbergstraße zu sehen. Danach werden Plastiken, Grafiken und Zeichnungen von Ernst Barlach gezeigt. „Einige aus unserem Bestand“, weckt Ergün Özdemir-Karsch Vorfreude auf die Werke des vielseitig begabten Künstlers, die hier nicht nur bewundert, sondern auch gekauft werden können.